#Landesverrat ist der Ritterschlag für alle Blogger
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Harald Range und Hans-erneorg Maaßen. Bild Richard Gutjahr (CC-BY-NC)
Uups, was ist denn da passiert. Plötzlich bezeichnen Journalisten Blogger als Journalisten. Danke, Herr Generalbundesanwalt a.D. Range!
Es ist schon komisch. Seit Jahren diskutieren wir in unserer Blase, ob Blogger nun Journalisten sind – beziehungsweise welche von ihnen. Dann holt der Generalbundesanwalt mit dem Vorwurf des angeblichen Landesverrats die größtmögliche Keule heraus, die jeder mit einer klassischen Journalistenausbildung kennt (Stichwort: Spiegel-Affäre), und plötzlich gehören die Blogger von Netzpolitik.org zur Familie. Zumindest für alle mir bekannten Medien außer der FAZ, die ich spätestens seit dieser Woche nicht mehr als ernstzunehmendes Medium wahrnehme.
So sind also die FAZ-Kollegen, die einzigen, die in meinen Augen die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben: Viele, nicht alle, sogenannte Blogger sind schon ganz lange Journalisten. Sie sind sogar mehr: selbstbestimmte Publizisten, die ihr eigenes Medium und vielfach auch ihre eigene Agenda/Haltung haben. Zumindest in meinen Augen ist schon längst klar, dass man nicht mehr in einem Elfenbeinturm in Frankfurt, München, Hamburg oder Berlin sitzen und elaborierte Worte auf totes Holz drucken muss, um den „Ehrentitel“ Journalist zu tragen.
Plötzlich sprechen alle von Journalisten vom Blog Netzpolitik.orgJa, man mag sich daran stören, dass die Blogger von Netzpolitik, Markus Beckedahl und Andre Meister, selbst eine sehr politische Agenda haben. Aber das ist in meinen Augen Haltung. Auch der zu Kampagnen und extremen Haltungen neigenden Bild-Zeitung werden viele Kollegen trotz aller Abneigung kaum den Status „journalistisches Medium“ abstreiten. So aber habe ich mich persönlich trotz aller Aufregung gefreut, dass im Zuge der #Landesverrat-Affäre fast alle schreibenden und sendenden Kollegen plötzlich von den „Journalisten vom Blog Netzpolitik.org“ sprachen. Nicht jeder Blogger ist Journalist. Dazu gehört mehr.Und nein, liebe FAZ. Das macht nicht automatisch jeden Blogger zum Journalisten. Journalismus ist Haltung. Journalismus ist Profession. Es ist der Glaube an Werte, an die Kontrollfunktion der Presse und die Wichtigkeit, die Öffentlichkeit aus verschiedenen Gesichtspunkten zu informieren. Um unter den Schutz der Pressefreiheit zu gelangen, braucht es weder bedrucktes Papier noch einen Elfenbeinturm. Sondern heute nichts mehr als eine Internet-Seite und engagierte Macher, die ja laut Grundgesetzt nicht mal eine journalistische Ausbildung haben müssen, um journalistisch arbeiten zu dürfen.Tatsächlich ist die #Landesverrat-Affäre inklusive der damit verbundenen Solidarität durch „echte“ Journalisten für die „kleinen Blogger“ ein echter Ritterschlag, der erzwungende Abschied des Generalbundesanwaltes ist da für Netzpolitik.org das Sahnehäubchen obendrauf. (Edit: Aber natürlich darf und muss man darüber diskutieren, ob und wie „echte“ Journalisten die geheimen Dokumente veröffentlicht hätten.)
Es gibt viele Bloger, die Journalisten sind. Und umgekehrt.Dennoch gibt es da draußen weit mehr Kollegen, die den Ehrentitel Blogger tragen, aber eben auch Journalisten sind. In diesem Zusammenhang sei an die stark gescholtene Kress-Liste „Welche Journalisten sind starke Marken“ hingewiesen, auf der auch ich weit abgeschlagen stand.– Eigen-Werbung –
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Der Gewinner der Abstimmung war Tilo Jung, der mit seinen naiven Fragen die Bundespressekonferenz aufmischt. Auf dem zweiten Platz gefolgt von Richard Gutjahr, der neben seiner Tätigkeit für öffentlich-rechtliche Sender eben auch Deutschlands wohl bekanntester journalistischer Blogger ist (Sascha Lobo bloggt ja kaum). Nur ein paar Tage vor dem Losbrechen der #Landesverrat-Affäre führte die Abstimmung erneut zu einer heftigen Debatte um das Thema Blogger und Journalisten und Markenbildung im Netz.
Ich persönlich halte es mit Sascha Pallenberg, der mit Mobilegeeks selbst schon seit Jahren beweist, dass Blogger ernsthaften Journalismus betreiben können und dazu diesen Video-Rant aufgenommen hat:
Diese bloeden Grabenkaempfe unter den Publishern muessen endlich ein Ende haben. Ein kleiner Rant zum Donnerstag
Posted by Sascha Pallenberg on Donnerstag, 30. Juli 2015
Spätestens die #Landesverrat-Affäre sollte also gezeigt haben, dass Blogger und Journalisten im gleichen Boot sitzen und die Grabenkämpfe absoluter Blödsinn sind. Zumindest sofern man das was sie publizistisch tun, auch wirklich als Journalismus bezeichnen kann.
Bei manchen, die sich Journalisten nennen, habe ich so meinen Zweifel. Und ich selbst bezeichne mich übrigens durch meinen neuen Job trotz meiner jahrelangen Tätigkeit als Journalist inzwischen nicht mehr als Journalist. Und auch viele Blogger würden sich niemals als Journalist sehen.
Plötzlich spenden die Leser. Doch das ist nicht genug.Bleibt die leidige Frage nach der Finanzierung, den Lousy Pennies. Denn auch das hat die #Landesverrat-Affäre gezeigt. Um den Wert von unabhängigen Journalismus zu erkennen, braucht es erst den größten anzunehmenden Angriff der Staatsmacht. Plötzlich haben viele, die das Blog schon vorher intensiv gelesen haben und auch jene, die vielleicht zum ersten Mal davon gehört haben, in ihre Tasche gegriffen und Netzpolitik.org finanziell unterstützt.Ich hoffe, dass sie erkannt haben, dass das nur einen ernsthaften Effekt haben kann, wenn aus der einmaligen Spende ein Dauerauftrag wird. Denn wer möchte, dass es weiter guten, unabhängigen Journalismus abseits der ausgetretenen Pfade geben wird sollte auch bereit sein, dafür zu zahlen. Das gilt für die Leser von Netzpolitik.org ebenso wie für alle, die da draußen die Inhalte von (selbstbestimmten) Publizisten kostenlos konsumieren.
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