Journalist in 10 Minuten: Wann ist ein Online-Publizist ein Journalist?
37Jeder kann im Internet publizieren, sein eigener Verleger sein. Das ist toll. Doch wie beweist man heute noch, dass man wirklich Journalist ist?
Eine Webadresse reservieren, eine WordPress-Installation aufsetzen – und los geht’s mit dem Schreiben, Fotografieren und Filmen. So schnell wird man heute zum Online-Journalist. Eine tolle Sache, wie jeder Journalist weiß, der den Schritt zum eigenen Online-Medium gewagt hat. Und jeder, der dadurch erst zum Journalist wird. Doch auch ein Problem, wie gerade die bekannten Netz-Journalisten Tilo Jung („Jung und Naiv“) und Markus Beckedahl (netzpolitik.org) bei der Akkreditierung für den Bundestag/die Bundespressekonferenz erleben mussten. Schön auch, wie Julian Heck (Weiterstadtnetz) hier erzählt, wie er mit abgelaufenem Presseausweis und iPhone einem Polizisten seinen Journalistenstatus erklären musste.
Die Zeiten haben sich also geändert. Die Köpfe noch lange nicht. Die Frage, die nicht nur uns, sondern auch Pressestellen, PR-Agenturen und Politiker beschäftigt, lautet: Wann ist ein Online-Publizist ein Journalist?
Früher war es ganz einfach: Der Presseausweis galt (und gilt) als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal.Früher war es ganz einfach: Der Presseausweis galt (und gilt) als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal. Doch seit der Inflation der Presseausweise, dem Wegfall der „staatlichen Legitimation“ durch die Innenministerkonferenz im Jahr 2009 und dem Aufstieg der Internet-Publizisten (die ich hier mal ausdrücklich nicht Blogger nennen möchte), ist auch der nicht mehr ganz so viel Wert. Wer in Zeiten sinkender Einnahmen gezwungen ist, sich seinen Lebensunterhalt durch andere Tätigkeiten zu verdienen, verliert vielleicht den Status „Hauptberuflichkeit“.Hinzu kommt: Wer in Zeiten sinkender Einnahmen gezwungen ist, sich seinen Lebensunterhalt durch andere Tätigkeiten zu verdienen, verliert vielleicht den Status „Hauptberuflichkeit“, der den Verbänden bei der Ausstellung des Presseausweises so wichtig ist. Doch auch hier mal gefragt: Wenn ein Journalist voller Elan investigativ arbeitet oder wie einst Richard Gutjahr in Ägypten auf eigene Faust von einem Krisenherd berichtet, ist es dann besser, wenn er seinen Lebensunterhalt mit PR-Texten und Corporate Publishing aufbessert, um den Status „Hauptberuflichkeit“ nicht zu verlieren? Oder doch lieber als Barkeeper in einer Kneipe arbeitet? Oder wie ist das mit den vielen Jungjournalisten, die vielleicht noch von der Unterstützung der Eltern leben, von BAföG oder durch Kellner-Jobs?Tatsächlich gibt es viele Interessengruppen, denen aus den verschiedensten Gründen daran gelegen sein dürfte, den Online-Publizisten den Status „Journalist“ abzuerkennen.
1. Öffentliche Stellen
Gerade im Lokalen haben hyperlokale Journalisten mit eigenen Online-Medien ein seit Jahrzehnten gewachsenes Gefüge zerrüttet. Ich denke da nur an das Heddesheimblog, die Tegernseer Stimme und Regensburg Digital. Viele dieser Angebote sind kritisch, kennen weder Freund noch Feind und bohren nach, wo es wehtut. Übrigens sind dies alles Qualitäten, die eine gute Lokalzeitung ebenfalls auszeichnet/auszeichnen sollte.
Was also tut man, um solche lokalen Quertreiber zu sabotieren? Man behauptet: „Das sind ja keine Journalisten!“
Carsten Stoffel, Fachausschussvorsitzender der Jungen Journalisten beim DJV-Brandenburg sagt dazu:
Leider beobachten wir den Trend, unliebsame Berichterstattung dadurch zu unterdrücken, in dem meistens behauptet wird, es handele sich nicht um Journalisten, oder Journalismus.
2. Kollegen
Journalist war und ist ein Traumjob. Viele Kollegen haben jahrelang dafür gekämpft, zuerst einen Ausbildungsplatz bei einem Medium oder auf einer Journalistenschule zu bekommen und dann entweder fest oder frei für ein möglichst bekanntes Medium zu schreiben. Und dann kommen da plötzlich so ein paar Jungspunde kurz nach oder vor dem Abitur, setzen eine Webseite ins Internet, fangen an, mit dem iPhone bewaffnet Berichte zu schreiben und nennen sich vielleicht auch noch Journalisten – das kann und darf doch nicht sein!
Diese Einstellung auf den Punkt, bringt dieser Artikel in der Süddeutschen Zeitung über die Bloggerin Jessica Weiß, die wir hier auch schon einmal interviewt haben.
SZ-Redakteurin Elisabeth Dostert schreibt darin:
Eine andere Legitimation als die Zahl der Menschen, die ihnen folgen, haben Blogger wir Jessica Weiß nicht. Wer viele Klicks bekommt, kann bestehen und bekommt die besten und teuersten Werbeaufträge. Und die anderen eben nicht.
Liebe Frau Dostert, welche andere Legitimation als ihre Leser, ihre Reichweite und ihre Relevanz in der Zielgruppe, haben denn die klassischen Print-Medien? Wenn eine Zeitung oder ein Magazin nicht von ausreichend Lesern gelesen/gekauft wird, dann erhält sie weder Vertriebserlöse noch teure Werbeaufträge (=Anzeigen). Dann wird das Medium früher oder später eingestellt.
Ok, jetzt könnte man noch die Diskussion führen, ob Modebloggen nun Qualitäts-Journalismus ist oder nicht. Dann würde ich aber auch darüber diskutieren wollen, ob es Qualitätsjournalismus ist, wenn man Jessica Weiß öffentlich als Julia Weiß bezeichnet, wie im zitierten Artikel geschehen… (Den Rechtschreibfehler im Copy&Paste-Zitat oben bemängele ich ausdrücklich lieber nicht, denn da sitze ich im Glashaus.)
3. Verlage
Verlage haben große Redaktionen, die sie bezahlen müssen. Tolle Glaspaläste, in denen nicht nur diese Redakteure sondern ein ganzer Verwaltungsapparat residiert. Sie sind es gewohnt, in großen Zahlen zu denken und sich mit den anderen Verlagshäusern, mit denen man sich dann beim Verband der deutschen Zeitschriftenverleger oder anderen Institutionen trifft, zu messen. Und plötzlich gibt es da diese merkwürdigen Online-Journalisten, die auch mitspielen wollen. Die sagen, sie brauchen gar keinen Verlag mehr. Na ja, das werden wir doch mal sehen…
Tatsächlich ist es schwer, eine Trennlinie zu ziehen.Sicher gibt es noch weitere Gründe, die gerne vorgeschoben werden, um Online-Publizisten des Status „Journalist“ abzuerkennen – und ich freue mich darauf, wenn Ihr sie mir in den Kommentaren nennt. Tatsächlich ist es ja auch schwer, eine Trennlinie zu ziehen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Freund, der PR für einen Videospiele-Hersteller machte. Er erzählte mir, wie sie täglich von Anfragen von „Blogger-Kids“ überrannt werden, die ihnen erzählen „Ich habe ein Online-Videogame-Portal“ und dann kostenlose Rezensions-Exemplare haben wollten.
Das Problem dabei: Natürlich gibt es nur eine bestimmte Anzahl an Rezensionsexemplaren. Natürlich muss jeder Pressestelle daran gelegen sein, die Spreu vom Weizen zu trennen und die „wahren Journalisten“ zu erkennen, die vielleicht mehr als nur zwei bis drei Leser aus dem Freundeskreis erreichen. Und eine Webseite aufsetzen kann heute nun wirklich jeder. In 10 Minuten ist jeder Online-Journalist…
Was also ist die Lösung?
Pressestellen sollten sich heute etwas mehr Arbeit machen.Nun, Pressestellen sollten sich heute etwas mehr Arbeit machen. Sie sollten sich genau ansehen, wer sich bei ihnen akkreditieren möchte oder ein Rezensionsexemplar anfordert. Blogger – und jetzt nenne ich sie mal wieder so – haben sich heute zum Teil eine enorme Reichweite erarbeitet, die manchem etablierten Medium in nichts mehr nachsteht oder sie zumindest in gewissen Zielgruppen sogar übertrifft. Und das macht sie zu Journalisten in der reinsten Definitionsform.Als Markus Beckedahl und Tilo Jung (zunächst) keine Dauer-Akkreditierung für den Deutschen Bundestag erhalten haben, war die Empörung in der Netzgemeinde riesengroß. Denn für uns gab es aufgrund ihrer Bekanntheit und Reichweite keinen Zweifel daran, dass die beiden „echte“ Journalisten sind und eine wertvolle Aufgabe erledigen. Für so manchen ganz normalen Tageszeitungsleser, von denen es offensichtlich noch genug in Pressestellen und Behörden gibt, waren sie eben nur „Blogger“ und „Internet-Fuzzis“ ohne Anbindung an ein klassisches Medium, das schon meine Oma kannte.
Eine Webseite allein macht noch keine journalistische Relevanz.Es ist natürlich schwer. Wenn ich mich bisher nicht mit der für mich und meine Zielgruppe relevanten Szene der unabhängigen Online-Publikationen beschäftig habe (was für mich allerdings ein Muss wäre), weiß ich ja vielleicht nicht, wer nun dieser Herr Beckedahl ist, der da plötzlich eine Akkreditierung haben möchte. Eine Webseite allein macht ja noch keine journalistische Relevanz, journalistische Qualität liegt ja auch immer im Auge des Betrachters.Also sollte man als unabhängiger Online-Journalist mit eigener Internet-Publikation auch immer die Zahlen parat haben, die beweisen, dass man nicht unter der Ausschluss der Öffentlichkeit bloggt – oder zumindest glaubhaft versichern können, dass man gerade eine Reichweite aufbaut. Traffic-Zahlen sollten helfen, Facebook-Fans und Twitter-Follower. Zumindest, wenn der Gegenüber sie zu deuten weiß.
Eine pauschale Absage sollte man aber nicht hinnehmen und gegebenenfalls die eigenen Follower und Kollegen aktivieren, um zu zeigen, dass man tatsächlich journalistische Relevanz hat.
Ja, es ist heute schwerer geworden, zu erkennen, wer Journalist oder nur Journalistendarsteller ist – weil es ebenso so leicht geworden ist, zu publizieren. Und ja, es ist nach wie vor legitim, eine gewisse Grenze zu ziehen, wer auf einer Pressekonferenz sitzen darf und wer nicht. Doch pauschale Herabwürdigungen von engagierten Online-Publizisten gehen gar nicht.
P.S. Übrigens frage ich mich gerade, ob man eigentlich automatisch Journalist wird, wenn man auf dem neuen, relativ reichweitenstarken Verlags-Portal „Huffington Post“ regelmäßig als kostenloser Blogger schreibt…
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In der Medizin gibt es einen Satz, der mir bei diesem Thema einfällt:
Wer heilt hat Recht.
Zwar darf sich nicht jeder Arzt nennen, dafür ist ein abgeschlossenes Medizinstudium Voraussetzung. Aber Sie dürfen sich als Heilpraktiker, Schamane, Gesundbeter und Geistheiler betätigen. Wenn Sie genügend Menschen finden, die sich von Ihnen behandeln lassen, haben Sie Erfolg.
Das führt in der Praxis dazu, dass die Ärzte die meisten Patienten haben, weil den Medizinern die Menschen am meisten vertrauen und deren gute Ausbildung sich (meist) auch in guten Therapieerfolgen zeigt.
Das heißt aber nicht, dass es nicht auch außerhalb der klassischen Medizin Erfolge gibt.
Denn: Wer heilt hat Recht.
Jeder Vergleich hinkt, und durch eine unsachgemäße Behandlung kann viel Leid entstehen, durch einen schlechten Artikel weniger (?). Aber irgendwie sehe ich die Situation bei den Journalisten ähnlich:
Wer gelesen wird hat Recht.
Das wird auch in dieser Sparte dazu führen, dass diejenigen, die etwas zu sagen haben, Erfolg haben werden. Ob sie sich nun Journalisten, Blogger oder sonstwie nennen.
Ist es relevant, ob jemand sich Journalisten nennt, nennen kann oder nennen soll? Oder bedeutet es, dass jemand eine angemessene Bezahlung für seine Tätigkeit bekommen soll?
Guter Artikel – auch wenn die Leitfrage in meinen Augen genauso irrelevant ist, wie die Frage, wann man jemanden als Künstler bezeichnen sollte.
Jeder, der aus idealistischen Motiven publizieren möchte, sollte sich freuen, dass das heutzutage so einfach ist und sich nicht darüber ärgern, dass dem elitären Kreis der festangestellten Journalisten das Wasser abgegraben wird.
Natürlich ist es relevant, zumindest für mich und viele Kollegen, die ich kenne. Zum einen ist es natürlich ganz simpel eine Frage des Selbstverständnisses des Publizisten. Zum anderen hat es ganz konkrete Auswirkungen, die noch weit über die hier beschriebene Akkreditierungsproblematik hinausgeht. Denn man muss sich dann auch Fragen stellen, wie: Was ist mit dem Auskunftsrecht des Journalisten gegenüber Behörden, wenn die Behörde willkürlich darüber entscheiden kann, ob der Gesprächspartner nun Journalist ist oder nicht? Und was ist mit dem Zeugnisverweigerungsrecht…? Und auch: Was ist mit dem Gegendarstellungsrecht, wenn meine Webseite gar kein journalistisches Medium ist? Ich bin kein Medienrechtler, aber mit meinem rudimentären Wissen sehe ich hier viele Ansatzpunkte, die zeigen, dass es doch wichtig ist darüber zu diskutieren ob und wann man Journalist ist.
Ich halte Ihr Argument nicht für stichhaltig. Im Falle eines Rechtsstreits wird ein Gericht nicht danach fragen, ob eine Person per se Journalist ist, sondern, ob sie aufgrund einer konkreten publizistischen Veröffentlichung in bestimmten Situationen gegenüber staatlichen Akteuren besondere Rechte gelten machen kann.
Die Frage des Gerichts wird also eher darauf abzielen, ob jemand on einer bestimmten Situation geltend machen kann, journalistisch tätig gewesen zu sein.
Zu Ihrem ersten Statement: Mir persönlich ist das Selbstverständnis von Publizisten ziemlich wurscht. Mich interessiert nicht was drauf steht, sondern was drin ist.
Was machen Sie von Beruf? Und mal kurz darüber nachdenken woher das Wort Kommt, davon mal abzusehen das auch gelernt zu haben und eine Familie davon zu ernähren. LG Rainer
Ich denke auch Reichweite und Auflage ist nichts, woran man einen Journalisten erkennt. Ansonsten läuft es doch darauf hinaus, dass nur noch die großen Themen behandelt werden und jemand der über das Dschungelzeltlager schreibt ein Journalist ist, während jemand der über Online-Journalismus schreibt die breite Masse nicht erreicht und als Blogger zählt. Meiner Meinung nach hat sich das Berufsbild einfach nur geändert und muss neu bewertet/eingeordnet werden. Und natürlich wird gejammert, das haben die Schmiede, Kutscher und Bogenmacher sicherlich auch getan. Das ist der Lauf der Zeit. Leider ist es heute aber einfacher denn je, dem Fortschritt einen Riegel vorzuschieben.
Die Grenze ist ja sehr fein und sehr interpretationsfähig. Ich schreibe deshalb auch lieber von Relevanz als von Reichweite. Die Frage ist nur: Wer definiert die Relevanz? Und welche Reichweite ist wirklich relevant? Das ist bei den traditionellen Medien ja auch nicht anders. Ein Fachmagazin hat meist einige wenige 1000 Leser, die aber als Zielgruppe relevant sind, während sich „General Interest“ ans große Publikum wendet. Und das Schöne ist ja: Während die Berufsstände der Kutscher und Bogenmacher (fast) ausgestorben sind, ist das beim Beruf des Journalisten kaum zu befürchten – auch wenn sich das Berufsbild zur Zeit dramatisch ändert und die Definition (sofern man denn unbedingt eine haben möchte) erschwert.
Das geschilderte Problem erkenne ich durchaus. Allerdings halte ich es für einen sehr gering verbreiteten Ausnahmefall. Die meisten Blogger mit einer gewissen Reichweite (die im Artikel ja als Erkennungszeichen genannt wird) dürften im Hauptberuf nach wie vor journalistisch arbeiten und damit wohl über diesen Weg an einen Presseausweis erhalten. Für viele andere gilt, dass sie in ihrem Fachgebiet so bekannt sind, dass sie auch ohne das offizielle Siegel „Journalist“ ernst genommen werden. Da denke ich besonders an die im Artikel genannte Videospielebranche.
Die Gruppe derjenigen, die nicht institutionell als Journalist anerkennt sind (per Presseausweis), zudem keinen Namen als Fachleute in ihrer „Szene“ haben und dennoch ernsthaften Journalismus betreiben, dürfte sehr klein sein.
Ich habe mal gelernt: Journalist darf sich jeder nennen. Redakteur biste nur mit Volo…
…oder mit Redakteursvertrag ;)
Genau, wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung darf sich jeder Journalist nennen. Es ist kein geschützter Beruf. Online und Print sind nur unterschiedliche Vertriebswege. Insofern ist die Diskussion wer ein Journalist ist oder nicht falsch und führt nirgendwo hin. Man könnte auch fragen: Was ist ein Verlag und was ist keiner? Wollen Sie eine Akkreditierungslotterie wie beim NSU-Prozess in München?
Relevanz und Qualitätsjournalismus sind für mich die zwei im Moment inflationär gebrauchten Wörter, die diese Diskussion so schwierig und vielleicht sogar unlösbar machen. Die Begriffe sind einfach viel zu abstrakt und entziehen sich jeder Definition. Wer entscheidet denn, was relevant ist? Die Anzahl der Leser alleine, kann es ja hoffentlich nicht sein. Gerade die etablierten Medien, die von sich behaupten, Qualitätsjournalismus zu liefern, sehen das vermutlich genau so. Ich glaube kaum, dass sich die Süddeutsche als weniger relevant, als die Bild-Zeitung sieht. Und das ständige Reden vom Qualitätsjournalismus kommt mir wiederum so vor, wie eine mantraartige Selbstversicherung der eigenen Relevanz. Beide Begriffe taugen also nicht wirklich zur Definition eines echten Journalisten. Vermutlich, sollte man einfach gelassen an die Sache rangehen. Alles Neue bringt zunächst Schwierigkeiten mit sich, spielt sich aber nach einiger Zeit meist auch ganz gut ein.
Gelassenheit ist sicher eine Tugend, die gerade bei dem aktuellen Streit von Nutzen ist. Ich bin seit fast 25 Jahren Journalist und würde mich durchaus als internetaffin bezeichnen. Es gibt aus meiner Sicht grundsätzliche Regeln, die Journalismus ausmachen und damit auch definieren, wer ein Journalist ist. Diese Regeln, so jedenfalls meine These, gelten unabhängig vom Medien (Print, Fernsehen, Rundfunk, Multimedia) und unabhängig vom Zeitpunkt. Sie sind sozusagen universell und damit nicht an eine Zeit, sondern an eine Gesellschaftsform gebunden.
Ich möchte das gern an einer Regel deutlich machen. Ein Journalist ist unabhängig. Damit meine ich nicht nur die offensichtliche Form, also dass man sich nicht (direkt) von einem Unternehmen, einer Partei oder einer Nichtregierungsorganisation für eine Artikel bezahlen lässt. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet das, dass sogenannte embedded-Autoren keine Journalisten sind. Hans-Joachim Friedrich hat den Begriff Unabhängigkeit einmal mit dem klugen Satz „Dabei sein, aber nicht dazugehören“ beschrieben.
Für mich kommt zu dieser Art Unabhängigkeit hinzu, dass ein Journalist sich auch beim Schreiben frei von subjektiven Vorlieben und Einstellungen machen muss. Das ist eine durchaus nicht einfache Aufgabe, vor allem dann, wenn man bei einem Thema emotional involviert ist. Ein Sachbericht beispielsweise ist nach meiner Definition daher der Versuch, vorurteils- und meinungsfrei und für den Leser nachvollziehbar einen Ausschnitt der Realität zu beschreiben.
Wir sind in diesem Sinn klassische Dienstleister, die mit Hilfe ihrer „Werkzeuge“ (Sprache, Auffassungsvermögen, Differenzierungsvermögen, Recherchefähigkeiten etc.) das Wesen eines Vorgangs oder einer Situation verständlich und vom Leser nachvollziehbar zusammenfassen. Im Idealfall kann der Leser nach Lesen des Artikels beispielsweise nicht sagen, welche Meinung ich als Autor vertrete. (Dafür wäre beispielsweise der Kommentar geeignet.)
Ich weiß, das mag sich auf den ersten Blick sehr theoretisch anhören, ist es aber im journalistischen Alltag nicht. Vielleicht sollte man also die Frage, was ein Journalist ist und was nicht mit Blick auf diese Kriterien (Unabhängigkeit ist ja nur eines) durchdenken.
Mir fällt auf, dass viele Blogger „sehr persönlich“ schreiben, dabei aber „sehr persönlich“ mit „das ist meine Meinung“ verwechseln. Eine bestimmte Richtung von Journalismus – vor allem in den USA – gibt beispielsweise ganz offen den Grundsatz der Unabhängigkeit auf, in dem sie bei der Berichterstattung klar „Position bezieht“.
Das war in den vergangenen Tagen beispielsweise bei der Berichterstattung der „VICE News“ aus der Ukraine zu beobachten. Getreu der Maxime „in den sozialen Medien ist alles persönlich und darum sind auch Nachrichten persönlich“ wird ganz offen demonstriert, dass man Partei bezieht.
Ich habe mit einer derartige „Berichterstattung“ keine Probleme. Allerdings steht für mich die Frage, ob diese Art Journalismus eben noch die Aufgabe erfüllt, für den Leser/Viewer/etc. die Realität in ihrer Authentizität – also aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet – nachvollziehbar zu machen. So wird beispielsweise in einem mehr als 20 Minuten langen Film fast ausschließlich die Sicht der Demonstranten dargestellt. Ich erfahren auch nichts über Nazis, die bei den Protesten dabei waren.
Ich kann jetzt sagen: gut, der Beitrag erzählt die Dinge aus der Sicht des Autoren. Aber dann bin ich wieder bei dem Punkt: Ist der Autor wirklich ein Journalist?
Meine Sorge besteht darin, dass dann, wenn jeder sich als Journalist bezeichnen darf, der Beruf des Journalisten und vor allem die Regeln, die Journalismus ausmachen, de facto abgeschafft werden. Das aber kann in einer demokratischen Gesellschaft niemand wirklich wollen.
Nachsatz: Ich habe bewusst auf Begriffe wie „seriöser“ oder „ernsthafter“ oder „guter“ Journalismus verzichtet. Denn darum sollte es in der Debatte aus meiner Sicht nicht gehen. Dass es gute und weniger gute Journalisten gibt, ja man selbst gute und weniger gute Tage hat, ist evident.
Oliver Schirg
Herzlichen Dank für diesen grandiosen Beitrag! Müsste man in Gold rahmen und in diverse Redaktionen, Verlagsleiterbüros aber auch Blogger-Stübchen hängen.
„Ein Journalist ist unabhängig.“ – Wer das wirklich glaubt, kann ja absolut nicht mehr ernst genommen werden. Das es nicht so ist, war jedem klar, der nicht total einfach strukturiert ist. In Zeiten des Internets wurde das immer deutlicher. Aushängeschilder für die absolut verlogenste Journaille sind sicherlich der Automobil- und Reise-Journalismus, aber die lokalen Blätter waren und sind kein bisschen besser und es wird so geschrieben, wie es zur überwiegend politischen Farbe der Reaktion und der Leserschaft passt. Was auch ein Grund dafür ist, dass die Wahl für ein Abo einer gewissen Zeitung fast nie auf objektiven Gründen erfolgte. Auch hier meinen immer noch irgendwelche „alten Hasen“ sie würden als Journalist im Elfenbeinturm sitzen, wo weder der Leser was zu meckern hat, noch anderweitig belangt werden kann und es eine Jobgarantie auf Lebenszeit gibt, weil es ja auch sonst keinen gibt, der anderen die Welt erklärt und sie für Freiheit und Demokratie so wichtig sind.
Sehr schöner Beitrag, der im lockeren Ton ein Thema aufgreift, das letztendlich ein ernstes ist. Wie wäre denn die Perspektive, dass in Deutschland streng genommen jeder ein Journalist ist? Art. 5GG gibt das im Grunde her…
http://pressefreiheit-in-deutschland.de/blogger-in-den-bundestag-keine-unterscheidung-zwischen-blogs-und-anderen-medien-8099654/
Auch wenn es in der journalistischen Praxis Probleme verursacht: Einen geregelten Berufszugang für Journalisten nach dem Vorbild von Italien oder der Schweiz lehne ich ab. – Aus guten und historischen Gründen.
Ich kenne das Problem gut: Zwanzig Jahre war ich zunächst als „fester Freier“ und dann als fest angestellter Journalist für etablierte Medienhäuser tätig. Keiner zweifelte an meinem Journalistenstatus und ich erhielt problemlos meinen Presseausweis, obwohl ich ihn selten brauchte.
Kaum war ich aber von meinem letzten Arbeitgeber betriebsbedingt gekündigt und „nur“ noch als Blogger publizistisch aktiv, war’s vorbei mit der Herrlichkeit. Die Künstlersozialkasse lehnte meinen Antrag auf Aufnahme ab, die Gewerkschaft verlängerte den Presseausweis nicht, den Beitrag zog sie aber gerne weiter ein. Mangels nennenswerter Einnahmen hätte ich den Presseausweis jetzt umso dringender gebraucht und eine Aufnahme in der KSK hätte mir finanziell auch geholfen. Doch die Definition, wer Journalist ist oder nicht, bemisst sich danach, ob man in der Lage ist, damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und ob es der Haupterwerb ist.
20 Jahre Berufserfahrung waren mit einem mal nichts mehr wert.
So verständlich gerade im Internetzeitalter das Bedürfnis ist, die Spreu vom Weizen zu trennen, gibt es für ein solches Kriterium keinerlei Grundlage. Journalist ist ein ungeschützter Beruf. Jeder kann sich Journalist nennen. Und Artikel 5 GG ist in jeder Hinsicht diskriminierungsfrei.
Angesichts der Vielzahl von Journalisten, Möchtegern-Journalisten und Journalisten-Darstellern in- und außerhalb der etablierten Medien kann es meiner Ansicht höchstens ein Kriterium geben, welches Hobby- von Profi-Journalisten unterscheidet: die entsprechende Ausbildung (Volontariat/Studium) und/oder nachweisbare Berufserfahrung. Wer die nachweisen kann, ist zweifellos Journalist, egal, ob er momentan damit Geld verdient oder nicht.
Inzwischen stelle ich aber auch fest, dass in einigen Pressestellen ein Umdenken stattfindet, wenn auch langsam. Mein Blog hat nach drei Jahren für sich allein inzwischen einen Umfang und eine erkennbare Relevanz, dass ich auch ohne Presseausweis auf die Messen/Veranstaltungen/Events komme, zu denen ich will und die zu meinem Blog passen. Immer häufiger werden Anfragen/Einladungen an mich herangetragen.
Der Presseausweis, einst das Statusmerkmal des Journalisten, verliert zunehmend an Bedeutung. Genauso wie der Beruf des Journalisten selbst, jedenfalls im konservativen Sinne. Ich für meinen Teil werde im Herzen immer Journalist bleiben. Ob mit oder ohne Presseausweis. Ob im Haupt-, Neben- oder Null-Erwerb.
Journalist zu sein ist eine Lebenshaltung, jedenfalls, wenn man den Beruf ernst nimmt.
@Gregor: Sehe ich ganz genauso- sehr schön auf den Punkt gebracht!
Im Idealfall wird Journalismus meiner Meinung nach aus Idealismus und nicht zum Broterwerb ausgeübt.
Was machen wir denn mit dieser ungeliebten… Zitat: Vielzahl von Journalisten, Möchtegern-Journalisten und Journalisten-Darstellern in- und außerhalb der etablierten Medien kann es meiner Ansicht höchstens ein Kriterium geben, welches Hobby- von Profi-Journalisten unterscheidet: die entsprechende Ausbildung (Volontariat/Studium) und/oder nachweisbare Berufserfahrung. Wer die nachweisen kann, ist zweifellos Journalist, egal, ob er momentan damit Geld verdient oder nicht. Zitat Ende
… die schicken wir zum Arbeitsamt (uralter Begriff) oder wieder in den alten Job zurück, wenn man die dort noch gebrauchen kann….OK
Aber was machen denn die vielen Lokalredaktionen, die von diesen – sorry, wirklich nur geschätzten 60% freien, oder besser gesagt Hobby-Möchtegern Journalisten – jeden Tag Blattfüllende Berichte bekommen?
…ich hoffe Gregor, Sie sind gut genug in ihrer Arbeit, dass Sie sich diese Arroganz leisten können! In Ihren konservativen Herzen sind Sie es sicher.
@Rüdiger: Du scheinst da etwas in den falschen Hals bekommen zu haben. Habe ich mit irgendeinem Wort etwas gegen freie Lokaljournalisten gesagt, die sich für ein mieses Zeilenhonorar den A… aufreissen müssen und ohne die die Zeitung nicht wüsste, wie sie ihr Blatt füllen kann? Wer regelmäßig für ein Lokalblatt schreibt, hat nachweisbare Berufserfahrung und wird vermutlich auch kein Problem haben, einen Presseausweis zu bekommen (kenne mich im Lokaljournalismus zu wenig aus, um das beurteilen zu können). Umgekehrt gibt es Leute (Möchtegern-Journalisten), die beispielsweise noch nie etwas in einem etablierten Medium veröffentlicht haben, in privaten Blogs oder sonst wo ihren Sermon zu allem Möglichen absondern, ohne die simpelsten journalistischen Standards zu beherrschen und trotzdem als Journalisten gelten wollen.Und es gibt Leute (Journalisten-Darsteller), die in etablierten Medien sitzen, weil sie den entsprechenden Ehrgeiz, das entsprechende Geltungsbedürfnis oder die nötigen Kontakte haben, aber das Handwerkszeug nicht beherrschen, geschweige denn journalistisches Ethos besitzen. Und es gibt Leute, die sehr gute Journalisten sind, aber keinen Fuß in die Tür bekommen, weil der Markt es nicht hergibt.
Ob man „gut genug“ ist, ist in der heutigen Medienbranche ziemlich irrelevant. Heute geht es vor allem darum, opportunistisch zu sein, gut vernetzt und/oder bereit zu sein, sich selbst auszubeuten. Das ist eine Tatsachenbeschreibung und hat mit Arroganz oder „konservativ“ nichts zu tun.
Apropos: Die Arbeitsämter sind voll mit arbeitslosen Journalisten, guten wie schlechten. Und den alten Job kriegen sie nicht zurück, da wurden sie nämlich aus Kostengründen schon aussortiert…
Danke für die aufklärende Antwort verbunden mit der Bitte um Entschuldigung für meinen offensichtlich falschen Vorwurf.
An dieser Stelle mal ein herzliches Kompliment an alle unsere Leser für die tolle Diskussionskultur hier! Freut mich, wenn es fair bleibt, auch wenn es mal hart zur Sache geht. :-)
Gerne.
Eine gute und wichtige Diskussion, die genauso zur Meinungsbildung beiträgt wie jeder Artikel, der, in gleich welchem Medium veröffentlicht, seine Leser findet. Schon aus diesem Grund, eine Diskussion angestoßen zu haben, lohnt sich die Veröffentlichung – in welchem Medium auch immer.
Rüdiger Fein, „quereingestiegener“ freier Journalist mit meist viel Spaß am Schreiben und eigenem Anspruch an die Qualität seiner Arbeit.
Übrigens, wer als freier Journalist tätig ist, der kann berichten, dass der Titel nicht immer mit angemessener Bezahlung einhergeht.
Die Debatte verläuft m.E. auf zwei Ebenen:
Wer ist wann warum Journalist?
Und (das war die Ausgangsfrage – Stichwort Bundestagszugang) wer wird als Journalist wo akkreditiert und hat er einen Anspruch darauf?
Dass man heute online frei „publizieren“ kann ist ja nicht das Streitthema, sondern hier geht es darum, welche Rechte man aus diesen „Veröffentlichungsbemühungen“ ableiten kann.
Zu 1: Ich warne davor, darauf zu beharren „Journalist“, ist eine ungeschützte Berufsbezeichnung und dann zu folgern, jeder der „veröffentlicht“ darf sich Journalist nennen UND kann sich somit auch selbst die „Rechte“ (z.B. Auskunftsanspruch / Akkreditierungsanspruch / Zutritt hinter Absperrungen) selbst verleihen.
Das würde den Beruf des Journalisten doch sehr abwerten.
Zu 2: Weil alte „Definitionen“ zu 1 – Anbindung eines Journalisten an ein allgemein anerkanntes (von wem auch immer – aber es gab so etwas wie einen stillen Konsens) Redaktion/ein Medium – sich auflöst, MÜSSEN Behörden oder Messen oder Veranstalter oder andere sich zwangsweise eigene/neue Zugangsregeln ausdenken – und sie werden es tun – sonst richtet sich bald jeder zur IAA einen Blog ein und leitet daraus ein Journalistenzugangsrecht ab ;-)
Es heißt im übrigen zunächst auch nicht „Journalistenrecht“, sondern „Presserecht“. Auskunfts- und damit auch teilnahme/zugangsberechtigt (Bundestag) sind Pressevertreter. Ein BGH-Urteil aus 2005 nennt da nicht den „Journalisten“, sondern „Redakteure“ (wikipedia.de).
Der Rundfunkstaatsvertrag regelt mit Blick auf Onlinemedien Informationsrechte etwas schwammig für journalistisch/redaktionell gestaltete Angebote (was immer das dann sein mag?). Die Bezeichnung „Blog/Blogger“ allein dürfte aber dafür nicht reichen.
Am Ende müssen/werden also letztlich wohl wieder Gerichte „Begriffe“ und „Rechte“ definieren. Und anders als andere Kommentatoren, fände ich das auch sinnvoll, weil klärend und den Beruf schützend. Denn weder dürfen selbsternannte Ärzte praktizieren (a la wer heilt hat Recht – wie es oben hieß), noch dürfen selbsternannte Elektriker Sicherungskästen verdrahten … es gibt für (fast) jeden Beruf Regeln und ich finde, dass gibt auch Sicherheit.
Kriterien wären für mich etwa eine Ausbildung (Studiengang/Volontariat, Berufserfahrung, KSK-Mitgliedschaft, Mitgliedschaft in einer anerkannten Vereinigung (DJV & Co), erkennbare Verdienst- und Gewinnerzielungsabsicht (gemäß. Finanzamtsdefinition – Hobbyschreiber dürfen schreiben, daraus aber keine „Journalistenrechte“ ableiten – vllt. fallen anderen noch andere Kriterien ein, um die Berufsvielfalt abzudecken? Am Ende könnte so etwas stehen, wie: Wer x von y-Kriterien erfüllt, gilt als „Journalist“.
Eine echte und befriedigende Lösung für „sofort“ habe ich aber auch nicht.
Außer dem pragmatischen Weg: Journalisten, die (sich) in ihrer Zielgruppe/Branche/lokalen Umfeld einen „Namen“ (erarbeitet) haben, bekamen immer schon eher/einfacher Informationen und Zugang – auch ohne Ausweise.
Jörg
100-prozentige Zustimmung! :-)
Die Diskussion zeigt, wie sehr sich der Beruf des Journalisten nach klassischem Verständnis in Auflösung befindet bzw. welch enormen Veränderungen er ausgesetzt ist. Für die etablierten, eingesessenen Medienvertreter ist es schmerzlich zu erleben, wie sie offenbar immer mehr als entbehrlich erachtet werden. Kostendruck und Arbeitsverdichtung machen es den Verbliebenen immer schwerer, journalistische Standards zu erfüllen und machen sie zudem immer anfälliger für Grenzüberschreitungen (z.B. strikte Trennung von Inhalt und PR/Werbung). Tatsächlich oder vermeintlich gleichgeschalteter Kampagnenjournalismus wie in der causa Wulff, Kachelmann etc. untergraben zusätzlich die Glaubwürdigkeit der etablierten Medien. Manchem der aus dem Medienbetrieb Vertriebenen bleibt gar keine andere Wahl, als selbständig zu publizieren oder empfindet es gar als besondere Genugtuung, fernab redaktioneller Zwänge wann, wo und wie über das zu berichten, was ihn wirklich interessiert, bewegt, worin er sich wirklich auskennt. Genauso gibt es Leute, die haben noch nie eine Redaktion von Innen gesehen und wollen es womöglich auch gar nicht, kennen sich trotzdem super in ihrem Thema aus und bieten beste Informationen dazu.
Nur weil jemand für ein „etabliertes“ Medium arbeitet, ist er noch lange kein guter Journalist. Und nur weil jemand NICHT für ein solches Medium arbeitet, ist er nicht schlecht.
Die Kriterien, die einen Journalisten ausmachen, sollten daher auf keinen Fall zu eng definiert werden. Die Gewinnerzielungsabsicht sollte defintiv nicht dazu gehören. (Das schließt automatisch schon die KSK-Mitgliedschaft als weiteres Kriterium aus). Eine Mitgliedschaft im Verband wäre auch nur bedenkenswert, wenn die Verbände ihre Aufnahmekriterien lockern würden. Sie werden aber von „etablierten“ Journalisten dominiert, die wohl wenig Interesse daran haben.
Eine entsprechende Ausbildung taugt noch am ehesten als Kriterium. Das würde aber wohl zu Unrecht Leute ausschließen, die begabt genug sind und auch ohne Ausbildung ihre Leser und Follower haben.
„Der Markt“ wird’s letztlich richten und er ist ja schon dabei. Wer sich als Blogger in seinem Metier einen Namen gemacht hat, kommt auch ohne Presseausweis dort hin, wo er hin will. Es braucht halt seine Zeit und die Institutionen sind dabei, ihre Akkreditierungspraxis zu ändern, wenn auch langsam.
…auch hier 100 % Zustimmung. Und da möchte ich nicht unbedingt in der Haut jener Person stecken, die für eine Institution entscheiden muss, wer nun als Pressvertreter akzeptiert wird und wer nicht.
So schwer erscheint mir das nicht. Ein überfliegender Blick in den Blog dürfte in den meisten Fällen genügen um die Relevanz in Bezug auf die akkreditierende Institution zu erkennen. Die Frankfurter Buchmesse ist sehr tolerant gegenüber Bloggern, die ITB hat einen Fragenkatalog für Blogger, der auf die Multiplikatorenfunktion abzielt.
Ergänzung zu meinem vorigen Kommentar: das einzige, was letztlich einen guten von einem schlechten Journalisten unterscheidet, ist seine GLAUBWÜRDIGKEIT. Das ist sein einziges Kapital.
Ich eigentlich schon :-)
Denn wenn es keine gültigen Regeln mehr gibt und ich als Institution dann selbst entscheiden „muss“ und endlich auch darf, was ein Pressevertreter ist, eröffnet das doch ganz neue Möglichkeiten :-))
Oder glaubt jemand wirklich, die breite Bevölkerung macht sich ernsthaft Sorgen, wenn ein Blogger nicht für eine Veranstaltung/den Bundestag akkreditiert wird?
Es geht um „unseren“ (Journalisten)Zugang zu den Quellen.
Disclaimer: Ich arbeite 32 Jahre freiberuflich – werte also nicht aus dem sicheren Elfenbeinturm einer Redaktion.
…nur dass diese neuen Möglichkeiten eben auch daraus bestehen können, unliebsame Berichterstatter mit dem Totschlagargument „ist ja kein Journalist“ auszuschließen … ;)
Genau das meine ich :-))
Dieses (Totschlag)Argument anwenden zu dürfen und zu müssen, weil der gute Wille, Online über etwas zu berichten – zumindest folgt man einem Teil der Diskussion hier und anderswo – ausreicht, um sich Journalist zu nennen, erleichtert es den Institutionen künftig sehr „aus ihrer Haut heraus“ ihre Interessen zu vertreten.
Liberalisierung – also die Aufhebung von Regeln, wie es etwa die zur Vergabe des alten „amtlich anerkannten“ Presseausweises waren – wirkt selten einseitig. Am Ende regelt dann der ominöse „Markt“ allein die (Zugangs)Bedingungen. Ob die immer besser sind, als das vorherige (unbestrittene keineswegs vollkommenen) Regelwerk, werden wir – vor allem die freien hauptberuflichen Journalisten, die mit ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt und den einer Familie bestreiten wollen, bald spüren.
Kurz zur Präzisierung: Es geht (mir) nicht um gute oder schlechte Journalisten oder um ein Qualitätsranking eines Medienproduktes (a la BILD böse / ZEIT gut), es geht um die Definition eines Berufes/Berufsbildes – und zwar eine von der Gesamtgesellschaft anerkannte Definition. Und nicht um eine Selbstdefinition von denen, die „irgendwas mit Medien“ machen ;-)
Jörg
*Gewinnerzielungsabsicht = Verdienstabsicht = je nach Rechtsform ;-))
Also wenn es nach Qualität, Recherche etc ginge, gälten die Bildzeitung und der Rest der Regenbogenpresse auch nicht als journalistische Erzeugnisse. Bei der Bild mag vielleicht noch recherchiert werden, aber bei den vielen bunten Blättern wird ein Foto gedruckt und zu dem Gesichtsausdruck der Promis mehr oder weniger frei etwas zusammengeschreibselt.
Auch nach dem Presseausweis kann man nicht gehen, denn gerade im Lokalen Bereich ist man sowieso schon bekannt, jeder weiß, für wen man arbeitet. Das reicht oft genug als Akkreditierung, wozu also sich einen Presseausweis beantragen?
Ich finde allerdings auch, dass eine Definition her muss. Von Verbänden, die mit der „neuen“ Technologie und ihren Regeln nach 25 Jahren www immer noch auf Kriegsfuß stehen, ist da vermutlich wenig zu erwarten.
Dieses Ego Problem haben heute viele Berufe. Wer ist Musiker, Dichter, Programmierer, Fliesenleger usw? Eigentlich zählt nur das Produkt! Auch bei den Journalisten gibt es viel Pfusch!
Eine interessante Diskussion! Auch wenn der Artikel schon etwas älter ist. Ich habe ihn eben per Suchmaschine gefunden, weil ich genau in der Situation bin. Ich kann es sehr gut verstehen, wenn „echte“ Journalisten Unterschiede suchen zu den neuen „Hobby-Bloggern“. Ich bin hauptberuflich Software-Entwickler und will mich natürlich auch von den „Skript-Kiddies“ unterscheiden.
Als Hobby betreibe ich seit einigen Jahren eine Website mit Lokalnachrichten. Dabei bemühe ich mich sehr, die journalistischen Standards einzuhalten, immer alle Seiten zu berücksichtigen usw. Ich verdiene keinen Cent mit dieser Arbeit. In der Stadtverwaltung bin ich inzwischen gut vernetzt, Bürgermeister und Oberbürgermeister kennen mich und antworten in der Regel zeitnah auf meine Anfragen. Bin ich Journalist? Ich denke schon, weil ich keinen „Privatkram“ veröffentliche, sondern zur neutralen Meinungsbildung der Bevölkerung beitrage. (Z.B. im Gegensatz zum Amtsblatt, das die Sicht der Stadtverwaltung wiedergibt.)
Meine Website (Blog?) wurde von einem von mir befragten Anwalt auch als „Presse“ eingestuft, weil nachhaltig und an die breite Öffentlichkeit gerichtet. Trotzdem würde ich keinen (echten) Presseausweis bekommen, weil ich ja nicht hauptberuflich tätig bin.
Im Rathaus bin ich zum Glück akzeptiert, und ansonsten kennen inzwischen die meisten in der Stadt meine Website, so dass ich auch nicht mehr erklären muss, wer ich bin. An Unfallstellen, wo ich mich gegenüber einem Beamten ausweisen muss, der möglicherweise nicht von hier ist, ist das aber ein Problem…
Schöner Artikel.
Nachdem es ja jetzt wieder einen Bundeseinheitlichen PA gibt aktueller den je.
Ich kenne einige Fotografen die auch programmieren können.
Warum sollten dieses dieses leicht verdiente Geld liegen lassen?
Ich persönlich glaube sogar das eine solche Konstellation am Ende des Tages zu besserem Journalismus führen kann.
Wer frei von Geldsorgen ist muss sich nicht jedem Medium andienen um die Miete zusammen zu bekommen oder die nächste Kamera oder Laptop zu finanzieren.
Geschichte am Rand. Ein befreundeter Fotograf war in Syrien zum fotografieren. Ein Bild veröffentlichen bei einem bekannten Medium, 100€. Kosten Vor-Ort täglich 120 $.
Die Journalisten Verbände sind glaube ich die einzigen die sich fast ausschließlich auf das „Hauptberuflich“ konzentrieren. In anderen Zunften geht es da eher um Qualität des ausgeübten Handwerks.
Anstatt sich der Zukunft und ihren Herausforderungen zu stellen und als Verband aktiv zu gestallten versucht man viel eher durch mauern und zementieren altes auf Teufel komm raus zu erhalten.
Und das geht unweigerlich schief.
Den Neulingen wird direkt erst mal die Tür vor der Nase zugeschlagen. Wiederum scheint es aber Mitglieder in einigen Verbänden zu geben die schon seit Jahren den PA haben, und wenn man sich dann ankuckt was die Damen und Herren so machen. Frage ich mich warum?