Content Marketing – die Rettung für den Journalismus?

Quelle/Copyright: City of Toronto Department of Public Works via Wikimedia/Commons

Ertrinkende greifen nach jedem Strohhalm. Und Journalisten in den heutigen Zeiten auch. Der neueste Strohhalm heißt „Content Marketing“.

Wann genau der Begriff  „Content Marketing“ angefangen hat, durch die Köpfe zu geistern, kann ich nicht sagen. Doch man liest derzeit überall von ihm, heiß wird diktiert, wie Content Marketing unseren Beruf – den des Journalisten – verändern wird. Das US-Portal Mashable fragte sogar: „Can Content Marketing Save Journalism?“ Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst einmal klären, was denn dieses merkwürdige Content Marketing überhaupt ist: Content Marketing ist ein Hype-Wort, dass zum Beispiel Corporate-Publishing-Agenturen wie Kircher-Burkhardt in diesen Tagen fast mantraartig wiederholen. Es heißt in letzter Konsequenz nichts anderes, als dass Unternehmen zu Verlagen werden. Während die Industrie in den guten, alten Zeiten darauf angewiesen war, ihre Botschaften per Anzeigen oder PR in die Medien zu bringen, machen sie heute einfach ihre eigenen Medien. Im Netz, im Appstore, im TV, am Kiosk. Statt Werbung verbreiten diese Unternehmen, strategischen Content, der auf den ersten Blick nur wenig mit ihrer Marke zu tun hat – und gerade deshalb so effektiv ist, übrigens auch bei der Google-Suche.  

Wie funktioniert Content Marketing?

Um mal wieder einen Branchenbegriff los zu werden: Der Trend beim Content Marketing geht weg von dem klassischen „Paid Media“ (Anzeigenschaltungen) über „Sponsored Media“ (vom Unternehmen klar gekennzeichnet gesponserte Medien) zu „Owned Media“ (eigenen Medien).
Das Unternehmen hat plötzlich eine Reichweite und Glaubwürdigkeit, die vorher nicht bestand – oder vielleicht nur durch eine Berichterstattung in traditionellen Medien erreichbar war.
Das Unternehmen hat plötzlich eine Reichweite und Glaubwürdigkeit, die vorher nicht bestand – oder vielleicht nur durch eine Berichterstattung in traditionellen Medien erreichbar war. Und hat man schlaue eigene Medien geschaffen, ist der Weg zu „Earned Media“ nicht mehr weit – die soziale Komponente. Denn wer richtig gute, nicht zu werbliche (digitale) Medien macht, der wird in den sozialen Netzen geteilt. Die Inhalte verselbständigen sich, werden Teil der Netzgemeinschaft. Das Unternehmen hat plötzlich eine Reichweite und Glaubwürdigkeit, die vorher nicht bestand – oder vielleicht nur durch eine Berichterstattung in traditionellen Medien erreichbar war. Tatsächlich entdecken Journalismusforscher rund um den Globus, dass sich die Leser zunehmend von den traditionellen Medien abwenden, weil diese nicht mehr ihre Wünsche erfüllen. Neben Blogs, sozialen Medien und „spitzen“ journalistischen Webseiten/Magazinen springt Content Marketing in die Bresche.  

Der „Gatekeeper“ Verleger ist plötzlich aus dem Weg geräumt. Verlage sind ein Modell von gestern…

Wer sehen möchte, wie so etwas funktioniert, muss sich nur die US-amerikanische Coca Cola Seite ansehen. Oder schaut Euch an, was Red Bull Publishing macht. Jedes mal, wenn ich „Servus in Stadt und Land“ sehe, bin ich weg geblasen, wie toll Print heute sein kann, wenn die Kosten keine Rolle spielen. Im Netz wären dann zum Beispiel auch abseits von Verlagen so tolle Stories wie etwa das Snow Fall der New York Times möglich.  
Quelle/Copyright: City of Toronto Department of Public Works via Wikimedia/Commons
Quelle/Copyright: City of Toronto Department of Public Works via Wikimedia/Commons

Und jetzt sind wir wieder bei den Journalisten.

[pullquote align=“right“]Auch wenn die Unternehmen keine Verlage mehr brauchen, brauchen sie doch Journalisten. Denn auch wenn die Unternehmen keine Verlage mehr brauchen, brauchen sie doch Journalisten. So arbeiten auch bei „Servus in Stadt und Land“ einige liebe Kolleginnen, die mir aus früheren Stationen bekannt sind. Tatsächlich unterscheidet sich das Heft und seine Redaktion in nichts von einer klassischen Redaktion – nur dass eben ein finanzstarker Energy-Drink-Konzern dahinter steht.  

Ist das nun schlecht?

Nun, bei einem Heft der Landlust-Klasse glaube ich das nicht. Hier kann ich mir nur schwer vorstellen, wie sich der Einfluss eines Getränke-Konzerns negativ auf die redaktionelle Unabhängigkeit auswirken kann – die Bäuerin auf Red Bull? Unglaubwürdig! [pullquote align=“right“]Was passiert, wenn eine Versicherung plötzlich ein Finanztest-Magazin herausbringt? Schwieriger wäre es aber, wenn Kircher-Burkhardt das für die Allianz aufwändig und mit sehr viel Journalismus produzierten Kundenmagazin „1890“ plötzlich als unabhängiges Finanztest-Magazin positionieren würde. Oder die CDU/CSU/SPD/Linke ein politisches Magazin heraus gäbe, das auf den ersten Blick für den unbefangenen Leser unabhängig wirkt – und ihn dann auf ganz unauffällige Art in die eine oder andere Richtung drängt. Ähnliches kann ich mir mit „ferngesteuerten“ Polit-Blogs im Internet vorstellen. Angeblich unabhängig, aber finanziert von einem Auftraggeber mit ebenso dezidierter Absicht wie tiefen Taschen.  

Nochmal: Ist das nun schlecht?

Nicht per se. Man muss sich nur mit dem Gedanken anfreunden, dass man beim Content Marketing seine Lousy Pennies nicht mehr von einem klassischen Verlag erhält, sondern von einem Brausehersteller, einem Versicherer, einem Unterhaltungselektronik-Konzern… Ob das noch der Journalismus der reinen Lehre ist, bleibt dahin gestellt…  

Was muss also passieren, damit Content Marketing ein Feld für anspruchsvolle Journalisten wird?

Journalistischer Anspruch und Corporate Publishing passen eigentlich hervorragend zusammen, wie ich finde. Wer LousyPennies aufmerksam liest, weiß, dass ich selbst ja einen Großteil meines Lebensunterhalts mit Corporate-Publishing-Projekten (und Content Marketing!) bestreite – und mich im fortwährenden Selbstzweifel frage, ob ich da eigentlich noch Journalist bin. Deshalb finde ich die Grund-Idee des Content Marketing so spannend: Journalistisch einwandfreie Geschichte zu produzieren (nein, keine Enthüllungs und Investigativ-Geschichten), die angemessen bezahlt werden und eine begeisterte Leserschaft erreichen.
Der journalistische Anspruch ist nichts Wert, wenn der Kunde nicht will.
Das Problem, das ich hier sehe, ist tatsächlich ein Grundlegendes. Denn so schön die Idee klingt und so gewinnbringend sie für beide Seiten sein kann, so sehr weiß jeder Journalist aus dem Corporate Publishing Bereich, dass aller journalistischer Anspruch nichts Wert ist, wenn der Kunde nicht will. Dort wo Produktmanager herrschen und nicht Journalisten, wird das fertige Produkt nur in den seltensten Fällen urjournalistisch sein. Warum auch? Irgendwas müssen wir doch auch auf unseren Journalistenschulen und in den Volontariaten gelernt haben, was wir den Produktmanagern und Ingenieuren voraus haben. Ich könnte auch kein Auto bauen und würde nicht erkennen, wenn da ein Zahnrad falsch angeschraubt ist.  

Für mich heißt das:

[pullquote align=“right“]Der Auftraggeber muss sich lösen von seinem klassischen Produkt-Proporz-Denken und sich einlassen auf journalistisch-kreative Inhalte. Damit der tolle Gedanke des Content Marketing und von Owned Media funktioniert, muss der beauftragte Journalist ganz viel Überzeugungsarbeit leisten. Und der Auftraggeber muss erkennen, dass er mit klassischem werblichen, unternehmenszentrierten Inhalten auf Dauer nicht sonderlich viele Blumentöpfe gewinnen wird. Er muss sich lösen von seinem klassischen Produkt-Proporz-Denken und sich einlassen auf journalistisch-kreative Inhalte – dazu gehört viel Mut und Vertrauen in sich selbst und den beauftragten Journalisten. Es muss also die Aufgabe von uns Journalisten sein, Überzeugungsarbeit zu leisten – und in den Unternehmen einen Sinn für gut produzierte Medien zu schaffen. Medien, die genauso funktionieren, wie eine Publikumszeitschrift. Die Geschichten erzählen. Die spannend sind. Die gerne gelesen werden. Die nicht nur schön anzuschauen sind – und durch ihre Glaubwürdigkeit auch dem Unternehmen Glaubwürdigkeit geben, das sie finanziert. Erst wenn die Unternehmen erkennen, dass sie mit eigenen aber journalistisch unabhängig produzierten Medien tatsächlich mehr erreichen können, als mit stumpfer Eigen-PR, die bei den meisten Lesern sofort im Papierkorb landet, funktioniert der Gedanke des Content Marketing wirklich – und es gibt ein weites Betätigungsfeld für kreative Journalisten.
Quelle/Copyright: City of Toronto Department of Public Works via Wikimedia/Commons
Quelle/Copyright: City of Toronto Department of Public Works via Wikimedia/Commons
 

Ist Content Marketing aber nun der Retter des Journalismus?

Nun, zumindest hat Content Marketing das Potential, ganz viele Journalisten zu retten – und ihr Leben wieder auf eine solide, finanzielle Basis zu stellen. Dass damit der aufklärerische Journalismus im Sinn der 4. Gewalt im Staate gerettet werden könnte, so wie ihn glücklicherweise noch viele Kollegen verstehen und praktizieren, glaube ich nicht. Als ich den Link von Mashable auf unserer Facebook-Seite gepostet habe, hat ein Kollege so geantwortet:
Es wird auf eine Mischung hinauslaufen aus Unternehmen und Stiftungen. Die Verlage sind tot.
Meine Meinung ist: Vielleicht wird es einige Verlage erwischen – aber viele haben die Power und die tiefen Taschen, den Medienwandel zu überstehen. Stiftungen sind sicher auch eine Möglichkeit. Ich freue mich aber auf die vielen schönen Medien in der Offline- und Online-Welt, die entstehen, wenn die Verantwortlichen in den Unternehmen anfangen, ihr Marketing-Budget direkt in die Taschen von kreativen Journalisten zu schaufeln.   Disclosure: Als Unternehmer-Journalist mit eigenem Corporate Publishing Unternehmen ist Content Marketing für mich persönlich natürlich ein besonders spannendes Feld. Und ein Feld, über das ich nicht nur schreibe, sondern in dem ich auch unternehmerisch aktiv bin und meine LousyPennies verdiene.  

Anwalt Himmelsbach: Das sind die größten Fallstricke beim Bloggen

Professor Dr. Gero Himmelsbach, Foto: Judith Häusler

Schon der erste Teil unserer Rechts-Serie mit Medien-Anwalt Prof. Dr. Gero Himmelsbach war extrem lehrreich für uns. Im zweiten Teil des Interviews wollten Stephan und ich genauer wissen, wo bloggende Journalisten aus rechtlicher Sicht besonders aufpassen müssen.

„Der Blogger muss sich an die gleichen Grundsätze halten wie jeder Journalist“

 

Karsten: Was sind denn eigentlich die größten rechtlichen Fallstricke beim Bloggen?

Ich glaube, dass der 1. Fallstrick zunächst eine oft schizophrene Sicht des Bloggers ist: Einerseits meinen viele Blogger, im Internet müsse man sich doch viel freier bewegen können als im echten Leben. Und anderseits besteht die Angst, wegen irgendwelcher Kleinigkeiten abgemahnt zu werden. Aber tatsächlich sind die rechtlichen Vorgaben im Internet zunächst genau die gleichen wie in der Print-Welt. Das heißt: Der Blogger muss sich an die gleichen Grundsätze halten, an die er sich auch als Print-Journalist halten würde.

Karsten: Vielleicht jetzt mit einem kleinen Unterschied – am Freitag hat der Bundesrat ja das Leistungsschutzrecht für Verlage durchgewunken. Nun haben viele Blogger Sorge, dass bei ihnen bald die Abmahnungen der Verlage ins Haus flattern…

Ich denke, die Sorge ist unbegründet. Blogger sind keine „Aggregatoren“ im Sinne der neuen Bestimmung. Wenn Blogger selbst Texte schreiben und darin Ausschnitte aus geschützten Medieninhalten nutzen, kommt es alleine auf das Zitatrecht an. Die neuen Regelungen greifen hier nicht.

Stephan: Was sind denn dann die wichtigsten Punkte, die ich beachten muss?

Es sind meiner Erfahrung nach vor allem vier Bereiche:

  • Die Schmähkritik.
  • Ein Eingriff in die Privat- oder Intimsphäre anderer Personen.
  • Verstoße gegen das Urheberrecht.
  • Unwahre Tatsachenbehauptungen.

Karsten: Was genau ist nochmal die Schmähkritik?

Hier steht die Diffamierung einer Person im Vordergrund und es findet keine Auseinandersetzung mit einer Sachfrage statt. „Politiker X ist ein fettes Schwein“ wäre so ein Klassiker. Dazu muss man aber sagen: Auch härteste Kritik in Sachfragen ist grundsätzlich durch die Meinungsfreiheit nach Art 5 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützt. Du kannst kommentieren und kritisieren – solange Du die Grenze zur Diffamierung nicht überschreitest. Ich glaube aber, dass hier das Risiko einer Rechtsverletzung bei einem ausgebildeten Journalisten minimal ist.

Stephan: Wie sieht es mit den Persönlichkeitsrechten aus?

Das ist schon diffiziler. Denn gerade bei Prominenten ist es oft schwer zu definieren, was noch öffentlich ist und was privat. Gerade bei Personen, die ihr Privatleben sehr stark selbst in die Öffentlichkeit tragen. Prinzipiell kann man sagen, dass immer ein gewisses Risiko gegeben ist, wenn ich nicht über das berufliche Leben der jeweiligen Person schreibe.

 

„Das Twitter-Bild hat jemand gemacht. Und garantiert nicht der Blogger“

 

Karsten: In dem Zusammenhang kommen wir vielleicht sofort zum Urheberrecht. Wie ist das denn mit den Twitter-Fotos der Stars, die so gerne von diversen Medien und auch Bloggern veröffentlicht werden?

Nun urheberrechtlich ist die Sache klar: Das Bild hat jemand gemacht. Und garantiert nicht der Blogger. Also müsste man eigentlich den Urheber fragen, ob man das Bild verwenden darf und gegebenenfalls ein Honorar zahlen. Dazu kommt das Recht am eigenen Bild der abgebildeten Personen. Da die das meist aber selbst twittern, sehe ich hier nicht so das Problem.

Stephan: Und urheberrechtlich dann auch nicht?

Nun ja, wenn sie wollten, könnten die Stars jederzeit die Medien verklagen, die ihre Twitterbilder ungefragt veröffentlichen. Ob sie das tun, steht auf einem anderen Blatt, denn viele machen das vermutlich mit dem Ziel, in die Medien zu kommen – aber sicher ist das nicht. Natürlich gehen große Medien das Risiko auch notfalls ein.

Karsten: Greift hier nicht das Zitat-Recht?

Wenn Du nur das Foto nimmst, auf keinen Fall. Wenn Du Dich mit dem Foto auseinandersetzt oder – noch besser – einen Screenshot des Tweets zeigst oder einer Webseite, vielleicht. Dann kann es ein zulässiges Bild-Zitat sein. Nach dem Motto: „Schau. Lieber User, das findest Du auf den Seiten von Star X“ – am besten noch mit einem Link zu den Seiten.

 

„Abschreiben schützt vor Strafe nicht“

 

Stephan: Wie ist es mit Text-Zitaten? Wie viel kann ich denn zitieren?

Das wird in der Rechtssprechung unterschiedlich gehandhabt – deshalb kann ich das so pauschal nicht beantworten. Nimm mal diesen Text:

„JenaKultur versäumte es, im Vorfeld darüber aufzuklären, dass die Veranstaltung „Beats statt Böller“ laut Aussage einer Sprecherin als „Alternative zu den allseits bekannten Rummtata-Silvesterpartys“ gedacht war. Was für den Veranstalter ein Kommunikationsfehler, bedeutete für viele Partygäste einen verdorbenen Silvesterabend.“ (Quelle: https://jenanews.de/index.php/nachrichtenarchiv/kultur/51-nachrichten/2912-kommentiert-silvester-reinfall-im-volksbad).

Das OLG Jena hat den Text als urheberrechtlich geschützt angesehen. Viel wichtiger ist in diesem Zusammenhang eine andere Sache, die oft falsch gemacht wird: Abschreiben schützt vor Strafe nicht.

Karsten: Wie meinst Du das?

Wenn man eine unwahre Tatsachenbehauptung oder eine Schmähkritik aus einem anderen Medium weiter verbreitet, schützt mich auch der Verweis auf die Quelle nicht. Ich kann den gleichen Ärger bekommen wie der ursprüngliche Verfasser. Es ist so, als hätte ich die Behauptung selbst aufgestellt.

Stephan: Wie kann ich mich dagegen schützen?

Indem Du mehrere Facetten beleuchtest, also schreibst: Quelle X behauptet dies und jenes, Quelle Y sagt aber das und Quelle Z hat eine ganz andere Information. Also journalistisch abwägen und klar machen, dass es nur eine Information von vielen ist. Dann machst Du Dir die eine Behauptung nicht zu eigen und musst dafür nicht wie für eine eigene Äußerung gerade stehen.

Karsten: Kommen wir zum 4. Punkt: die unwahre Tatsachenbehauptung. Für eine solche kann ich doch eine Gegendarstellung bekommen?

Hierzu muss man zunächst einmal feststellen, ob Deine Internetseite überhaupt ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Telemedienangebot nach dem Rundfunkstaatsvertrag ist. Ein Indiz ist, wenn es kontinuierlich geändert und modifiziert wird.

Stephan: Ich finde, wenn wir uns als Journalisten im Netz begreifen, dann müssen wir auch in Kauf nehmen, dass der Rundfunkstaatsvertrag bei unseren Angeboten greift. Was also tun, wenn mir eine Gegendarstellung ins Haus flattert?

Auch das ist wieder eine wirtschaftliche Frage. Lasse ich zu, dass der Gegner die Gegendarstellung einklagt, können hohe Kosten entstehen. Also sollte man es sich wieder gut überlegen und dann die Gegendarstellung ggf. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht veröffentlichen.

 

„Man könnte der Gegenseite einen fairen Betrag anbieten“

 

Karsten: Und die Kostennoten des Anwalts?

Sind auch nicht selbstverständlich. Wenn es wirklich eine unwahre Behauptung war, könnte man der Gegenseite einen Betrag anbieten. 250 Euro könnten in einem solchen Fall fair sein.

Stephan: Worüber müsste ich eigentlich bloggen, wenn ich möglichst schnell abgemahnt werden möchte?

Details über das intime Verhältnis von Günter Jauch und Heidi Klum – das es natürlich nicht gibt!

Im dritten Teil unserer Interview-Serie mit Prof. Dr. Gero Himmelsbach: Die besondere rechtliche Situation von Kommentaren.

Hier geht’s zum ersten Teil. 

[hr]

ACHTUNG: Als besonderen Service für alle LousyPennies-Leser hat Prof.Dr. Gero Himmelsbach einen (kostenlosen) Musterbrief verfasst, mit dem Ihr auf eventuelle Abmahnungen reagieren könnt. Natürlich ohne Gewähr – und in der Hoffnung, dass Ihr ihn nie brauchen werden.

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Über Gero Himmelsbach

Professor Dr. Gero Himmelsbach ist seit 1994 Rechtsanwalt und Mitarbeiter der Sozietät Romatka in München, seit 1998 Partner. Er ist Honorarprofessor für Medienrecht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Autor des Praxis-Handbuches „Beck’sches Mandatshandbuch Wettbewerbsrecht“ und Mitherausgeber des Kommentars zum Bayerischen Mediengesetz. Daneben ist Gero Himmelsbach ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift GRUR-Prax (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht).

Gero Himmelsbach ist seit vielen Jahren in der Aus- und Fortbildung von Journalisten und Juristen tätig – etwa als Referent der Hanns-Seidel-Stiftung und der Bayerischen Akademie für Fernsehen oder als Dozent für Wettbewerbsrecht der BeckAkademie.

Gero Himmelsbach ist u.a. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Verlagsjustitiare, des PresseClub München e.V./International Press Club of Munich und war 1984 Mitgründer des Vereins „Nachwuchsjournalisten in Bayern (NJB) e.V.“, der junge Journalisten unterstützt.

 

Linktipps: Tweets zitieren, Flattr, Plöchinger, Crowdsourcing, Web-Texte

Das ultimative Handbuch für Nachrichtenportale: So verlinkt man aus sozialen Netzwerken richtig

 

In der Woche nach dem ebenso sensationellen wie peinlichen Einknicken der SPD beim Leistungsschutzrecht („Wir wollen es zwar nicht, aber wir sagen mal nichts dagegen, und wenn #ProblemPeer dann Kalif anstelle der Kalifin ist, ändern wir es ab.“), hat dieser Beitrag von Tobias Gillen für mich eine ganz besondere Aktualität. Denn er beschäftigt sich damit, wie man Beiträge aus sozialen Netzen richtig verlinkt. Anlass war dieser Tweet von Tobias:

Der wurde danach von vielen „offiziellen Vertretern“ der deutschen Verlage genutzt, kopiert und verwurstet – allerdings ohne korrekt auf den Urheber des Tweets hinzuweisen.

Ja, Tweets  sind frei verfügbar, Ja der Twitterer freut sich, wenn seine Worte weiter verbreitet werden. Aber sie sind auch sein geistiges Eigentum und unterliegen dem Urheberrecht –  wie uns übrigens Medienrechtsanwalt Prof. Dr. Gero Himmelsbach schon am Dienstag auf LousyPennies erklären wird.

Aber Recht hin oder her: Ich halte es nur für fair, wenn die (festangestellten) Kollegen in den Redaktionen kreative Twitterer wie Tobias richtig zitieren und zumindest korrekt auf den Urheber verweisen. Denn wenn es schon keine LousyPennies gibt, dann wenigstens die Ehre. Nach dem Beitrag von Tobias  können sie nun nicht mehr behaupten, nicht gewusst zu haben, was sie tun… (Ob die SPD es gewusst hat?)

Flattr

Flattr richtet sich neu aus

Ach ja, die vielen Ideen, wie man seine LousyPennies im Netz verdienen kann – Flattr ist eine davon. Viele haben den Mikrospendendienst schon für gescheitert erklärt, da er nur in Nischen genutzt wurde und kaum auf größeren Seiten. Doch die Schweden geben nicht auf und haben Flattr neu ausgerichtet. Sie haben den Dienst sozialer gemacht, wie dieser Beitrag von netzwertig.com erklärt. Ab sofort ist es möglich, Flattr-Konten mit sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram zu verbinden. Ich habe das gleich mal ausprobiert – und das bedeutet, dass ich ab sofort Microspenden verteile, wenn ich einen Tweet favorisiere oder mir ein Beitrag auf Facebook gefällt. Ich bin gespannt, ob es Flattr zum Durchbruch verhilft. Es hängt wie immer davon ab, dass sich noch viele weitere Millionen entschließen, mitzumachen.

 

Wie innovativ Journalismus sein muss

Habt Ihr viel Zeit? Dann lest unbedingt den Beitrag von Stefan Plöchinger, Chefredakteur von SZ.de, über den digitalen Medienwandel. Ihr habt keine Zeit? Dann lest ihn trotzdem! Plöchinger hat den Text als Kapitel für das demnächst erscheinende Buch “Journalismus in der digitalen Moderne” verfasst – und entsprechend lang ist er. Aber er lohnt sich. Denn Plöchinger fasst sehr gut zusammen, worum es gerade geht. In kurzen Worten: Der schwierige Weg zu einem neuen Journalismus, bei dem wir Journalisten uns mit unseren eingefahrenen Strukturen oft nur selbst im Wege stehen. Dabei sagt er viele schlaue und wichtige Dinge, wie zum Beispiel: „Es liegen viele Herausforderungen vor uns, und eine der schwierigeren ist, in der digitalen Welt publizistische Werte gegen jene durchzusetzen, die mit Journalismus nicht Rechtes mehr anzufangen wissen.“

 

Wenn aus dem Leser der Geldgeber wird

Über Crowdfunding haben wir bei LousyPennies bereits geschrieben. Noch erfolgreicher als Taiwanreporter Klaus Bardenhagen bei Krautreporter war SZ-Mann Dirk von Gehlen, der für sein Buchprojekt „Eine neue Version ist verfügbar“ mehr als 10.000 Euro bei der Crowd einsammeln konnte. Christian Jakubetz hat nun ein Interview mit ihm geführt, das jeder lesen (und im Video ansehen) sollte, der sich für neue Finanzierungsformen des Journalismus interessiert. Gehlen sagt dabei eine Sache, die sich mit dem deckt, was ich so denke: Aktuell scheint Crowdsourcing eher etwas für einzelne Projekte zu sein, also etwa ein Buch oder eine TV-Dokumentation.

 

A sample assignment for teaching web writing in digital journalism classes

Vor kurzem habe ich auf der Suche nach interessanten Inhalten für ein Web-Projekt den verfügbaren „Content“ (Ein schreckliches Wort für journalistische, mit Herzblut geschriebene Texte!) eines befreundeten Verlages durchgelesen. Mein Fazit: Tolle Texte für Print. Fürs Web kaum zu gebrauchen. Deshalb spricht mir dieser Beitrag des  Journalismus-Dozenten Mu Lin von der Georgian Court University so aus dem Herzen. Er beschreibt darin, wie er seinen Studenten eine einfache Aufgabe stellte: Macht aus den im Text verfügbaren (Blog-)Texten echte Web-Texte. Er beschreibt Schritt für Schritt, was dazu nötig ist – und liefert mir damit die Blaupause, wie man aus vorhandenen Print-Texten (und suboptimalen Online-Texten) das Beste herausholt.

Leistungsschutzrecht? Nicht unser Versagen!

Sascha Lobo, Foto: Reto Klar (www.retoklar.de)

Lieber Sascha Lobo, *

ich habe Deinen Artikel gelesen und Du hast nicht Recht. Jedenfalls nicht ganz. Ich will Dir sagen, warum.

Zuerst war ich ganz auf Deiner Schiene, habe auf mich gesehen: Ich Versager. Aber das ist ein Reflex, den habe ich noch so drinnen, von damals, als ich evangelischer Konfirmand war.

Brav das Köpfchen beugen, die Schuld bei mir suchen, mich in Sack und Asche kleiden? Alter: Nicht mehr! Vielleicht haben wir irgendwie versagt, aber dieses Eingeständnis lenkt den Blick auf uns und weg von denen, die SCHULD am Leistungsschutzrecht haben, und die damit eiskalt durchkommen und sich nur ins Fäustchen lachen, wenn wir jetzt das Versagen bei uns suchen.

Reden wir also lieber über Schuld. Wer hat sie denn nun?

1. Die Verlage: Deren Schuld beginnt schon Anfang des Jahrtausends. Seitdem nämlich haben sie das Internet zu einer Kloake aus Titten, Abofallen und perverser Kriminalität stilisiert – kurz zu einem Abbild ihrer eigenen Boulevardblätter.

Noch ehe das “Kind mit dem Geburtsfehler” erwachsen werden durfte, um zu beweisen, was in ihm steckt, hatte es seine Unschuld gegenüber der älteren Generation verloren. Seitdem ist für unsere Mütter das Internet irgendwie böse – aber sicher nicht wichtig für die Zukunft Deutschlands. Unsere Eltern sind für das Internet die verlorene Generation.

Auf dem so bereiteten Boden fiel es ihnen nur allzu leicht das LSR vorzubereiten. Es erzeugte bestenfalls Häme bei unseren Eltern, am ehesten aber doch schlichtes Desinteresse.

2. Die sogenannten Qualitätjournalisten: Oh Gott, ich kann diesen widerlichen Begriff nicht mehr hören. Er versucht doch glatt das Bild von lauter Bob Woodwards und Carl Bernsteins zu zeichnen. Die Sache ist nur die: Die beiden genannten haben eine Geschichte lange recherchiert, haben sich mit Zentren der Macht angelegt und die Story teils gegen Widerstände aus dem eigenen Verlag durchbringen müssen – sie haben etwas riskiert!

Die, die immer das Wort vom hehren Qualitätsjournalisten führen, die auf Blogger verächtlich herabblicken, die haben gar nichts riskiert! Nichts! Obwohl ich kaum einen Redakteur kenne, der das LSR gutheißt (schon gar nicht bei den Online-Medien der Verlagshäuser), hat keiner den Mut aufgebracht, seinem Chefredakteur zu sagen: Komm, wir bringen das. Wir gehen gegen Springer  vor. Wir müssen das mal erzählen.

Stattdessen haben die Redaktionen das Thema entweder protegiert (Leyendecker!) oder totgeschwiegen bis es zu spät war. Die halbherzige Berichterstattung jetzt zum Schluss, war Konzession an die Netzgemeinde, in der Hoffnung ein bisschen Buzz mit abzusahnen. Nichts weiter.

3. Die Politker: Ich sage es ganz offen, mich hat schockiert, wie pervertiert das politische System in Deutschland ist. Das ist meine Naivität. Aber die Schuld liegt dennoch nicht bei mir, sondern bei denen, die den kleinen hoffnungsfrohen Demokraten in mir gestern getötet haben. Besonders die SPD und Peer Steinbrück haben mich enttäuscht. Wie schizo muss man sein, etwas, wie das LSR öffentlich schlecht zu finden, und es dennoch als Opposition durchzuwinken?

Also: Deren Versagen, deren Schuld!

Hier! Das sind die Schuldigen. Nicht wir. Nicht die Netzgemeinde. Die hat sich organisiert, war sich selten so einig. Du, Sascha Lobo, schreibst: “es wäre unsere Aufgabe gewesen, es zu erklären und die Erklärung zu verbreiten”. Nein, das wäre die Aufgabe aller Verlage, Journalisten und Politiker gewesen, zu thematisieren und zu analysieren, es über alle Medien zu verbreiten. Dafür sind sie unter anderem da. Und das deutlich zu sagen und mit dem Finger darauf zu zeigen, #aufzuschreien, das sollten wir jetzt tun. Nicht das Versagen bei uns suchen.

Deren Versagen, deren Schuld!

Noch eins zu meiner Mutter: Selbst wenn ich es geschafft hätte ihr es zu erklären (wer kann das LSR eigentlich überhaupt erklären?), gibt es einen simplen Grund, warum sie nicht motiviert dagegen aufgestanden wäre: Es betrifft sie schlicht nicht. Es betrifft dieses Netz, und das ist irgendwie voller Titten, Abofallen und Kriminalität, nicht wahr?

* Gott, wie hoffe ich, dass alleine diese Ansprache unglaublich viele Tweets und Likes bringt …

Twitter für Journalisten: Warum wir heute alle twittern sollten

Twitter für Journalisten

Wo ich vom Rücktritt des Papstes erfahren habe? Auf Twitter. Wo ich zum ersten Mal gelesen habe, dass der Bundestag das Leistungsschutzrecht angenommen hat? Auf Twitter. Und wo ich die meisten meiner Lieblingslinks aus der Welt des digitalen Journalismus finde? Natürlich auf Twitter. Der Web-Kurznachrichtendienst ist für mich zu einer der wichtigsten Informationsquellen überhaupt geworden. … Weiterlesen …

Linktipps: NYT, Gutjahr, Web-Design, Paywall, Datenjournalismus

New York Times: Snow Fall Wow. Wow. Wow. So sieht also moderner Web-Journalismus aus, dachte ich mir, als ich am Wochenende den Link-Tipp zu dieser außergewöhnlichen Web-Story der New York Times bekam. In „Snow Fall – The Avalanche at Tunnel Creek“ verbindet New York Times Autor John Branche wunderbares Design, tolle Recherche, Text, Bild, Video … Weiterlesen …

E-Mail-Management: Ich bin dann mal kurz Herakles

von Gilles Rousselet (Achenbach Foundation for Graphic) [Public domain], via Wikimedia Commons

Die E-Mail ist die Hydra moderner Kommunikation. Scheinbar unsterblich, scheinbar unersättlich, scheinbar unzähmbar. Scheinbar.

Gerade wir Journalisten sind auf Kommunikation angewiesen. Wir reden mit Informanten, Presse-Agenturen, Verlagen. Dass das mittlerweile nicht mehr nur über das Telefon passiert, ist schon eine Entlastung. Doch die Masse an Mails, die täglich in der Inbox landet, ist erdrückend. Teilweise schreibt der selbe Absender mehrmals am Tag, weil ihm immer wieder Ergänzungen einfallen. Hat man eine Mail bearbeitet, sind mittlerweile weitere eingetrudelt. Es scheint zu sein, wie Herakles‘ Kampf gegen die Hydra: Man schlägt einen Kopf ab, zwei wachsen nach …

Doch mit etwas Disziplin bekommt man seine Mail-Inbox in den Griff und verwandelt sie in ein herrliches Loch gähnender Leere. In jedem von uns steckt ein kleiner Herakles. Und der hat die Hydra am Ende auch besiegt.

Hier die vier schärfsten Waffen im Kampf gegen die unendliche E-Mail-Flut:

1. Niemals als erste Handlung des Tages Mails checken

Sie bedrohen die tägliche AWD-Liste (siehe Effektiv arbeiten, Teil eins) mit noch mehr To-Do’s – bevor man ein auch nur eines davon lächelnd eliminiert hat. Und nicht vor 10 Uhr morgens beantwortete Mails bringen einen – gelinde gesagt – selten in eine lebensbedrohliche Situation.

2. Der Mensch gibt den Takt vor

Dreimal am Tag seine Mails zu checken reicht lässig – am besten immer zur selben Zeit, zum Beispiel um 10, 14 und 17 Uhr. Ruhig Blut: Auch nach 17 Uhr nicht sofort beantwortete Mails sind selten existenzgefährdend. Wirklich wichtige Kommunikationspartner informiert man über den persönlichen Mail-Check-Rhythmus.

3. Schnell handeln

Das Ziel ist eine leere Inbox. Türmt sich der Mail-Berg unübersichtlich hoch, heißt es: nicht chronologisch, sondern nach Absendern sortieren. Das bündelt sie thematisch und erleichtert das Abarbeiten.

Weiter geht es mit Mail öffnen, maximal fünf Sekunden nachdenken, dann einen der folgenden Schritte ausführen:

  • löschen
  • archivieren
  • Ist eine Handlung nötig, die weniger als eine Minute dauert (zum Beispiel antworten, einen Termin im Kalender eintragen, unerwünschte Mails mit einem Filter aus der Inbox zu verbannen oder das Abo unerwünschter Newslettern zu kündigen): Tun! Danach löschen oder archivieren.
  • Ist eine Handlung nötig, die länger dauert: Die Mail mit einem Stern oder sonstigem Symbol markieren und in den To-Do-Ordner verschieben.

Bleibt man konsequent, dauert es ein paar Minuten und die Inbox ist leer. Check! Ein herrlicher Anblick.

Aber so verlagert man das Problem doch nur von einem Ort an den anderen – höre ich Kritiker sagen. Und: Was macht es für einen Unterschied, ob ich die To-Do-Mails als ungelesen markiert in meinem Posteingang lasse oder woanders platziere?

Mails als Hydra, Journalisten als Herakles
von Gilles Rousselet (Achenbach Foundation for Graphic) [Public domain], via Wikimedia Commons
Es macht einen Unterschied. Als ungelesen markierte To-Do-Mails in der Inbox bekommen permanent Nachwuchs. Wer so vorgeht, arbeitet Auge in Auge mit der kampflustigen Hydra. Schon der Anblick der niemals endenden Liste deprimiert und macht müde. Der selbst kontrollierte To-Do-Mails-Ordner wiederum bewegt sich im Takt des Users, ist übersichtlicher und erfreut das Herz, sieht man ihn schrumpfen.

4. Den To-Do-Ordner als Standardansicht im Mailprogramm einstellen

Die Inbox wird nur noch besucht, um sie so schnell wie möglich wieder zu leeren. Und nicht vergessen: Am Ende immer das Mailprogramm schließen. Immer.

Einmal daran gewöhnt, hat man Mitleid mit jenen, die es nicht tun. Und gewinnt Zeit. Vielleicht sogar genug, um sich mal wieder in die Abenteuer der griechischen Mythologie zu stürzen …

P.S. Dieser Artikel ist Teil 2 unserer sechsteiligen Serie „Tricks und Tools für Journalisten“. Teil 1 findet Ihr hier. Und Teil 3 hier

 

Der erste Krautreporter erzählt: Taiwanreporter Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen, Taiwanreporter

Klaus Bardenhagen hat es geschafft. Der 36-jährige Taiwanreporter ist der erste Journalist, der auf Krautreporter.de ein Projekt verwirklichen konnte. Insgesamt 2445 Euro kamen durch Crowdsourcing zusammen – was heißt, dass 60 Unterstützer zwischen 10 und 500 Euro spendeten. Damit kann er nun sein Buchprojekt „Formosa! Das ist Taiwan“ starten.

Kurz nach dem erfolgreichen Crowdsourcing-Abschluss haben wir ein Interview führen können.

„Für erfolgreiches Crowdsourcing muss man eine ordentliche Gegenleistung bieten“

Hallo Klaus, herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Projekt! Wie bist Du denn darauf gekommen, Dein Buch per Crowdfunding auf Krautreporter zu finanzieren?

Nun ja, ich hatte ja schon zwei Bücher auf der Selfpublishing-Plattform Blurb veröffentlicht (Hier sein Gastbeitrag auf Medialdigital.de darüber) und wollte das wieder machen. Nachdem sich aber mein letztes englisch-chinesisches Buch „Taiwan: Snapshots of Democracy in Action“ nicht so gut verkauft hat, habe ich mir die Frage gestellt: „Was ist, wenn das keiner will?“

Also hast Du quasi die Crowd gefragt…

Ja. Denn durch das erfolgreiche Projekt weiß ich nun, dass es einen Markt gibt. Ich weiß jetzt, das es Leute gibt, die ein ernsthaftes Interesse an meinem Buch haben und es gedruckt sehen möchten. Das ist ein tolles Gefühl.

Du bist nun sogar der Erste, der es geschafft hat. War das Strategie, ganz früh auf Krautreporter loszulegen?

Nun ja, ich dachte mir, je früher ich dabei bin, umso größer ist die Aufmerksamkeit. Ich habe dann auch schon in der Beta-Phase per E-Mail und Skype direkten Kontakt mit Sebastian Esser aufgenommen, dem Gründer von Krautreporter. Das war eine gute Zusammenarbeit, bei der wir zum Beispiel auch einige kleine Optimierungen an Krautreporter vornehmen konnten.

Formosa! Das ist Taiwan
Formosa! Das ist Taiwan – das neue Buch von Klaus Bardenhagen

Ein anderer „Early Bird“, Julian Heck, ist ja leider gescheitert, er fand nicht genug Spender für sein Projekt. Was war Dein Erfolgsgeheimnis?

Ich glaube nicht, dass man das mit dem Projekt von Julian direkt vergleichen kann, aber ich habe schnell gelernt, dass man sich sehr genaue Gedanken machen muss. Ich glaube, dass man den Leuten auch für den Mindestbeitrag von „nur“ 10 Euro schon eine ordentliche Gegenleistung bieten muss.

Was waren Deine Gegenleistungen?

Für 10 Euro gab es etwa meine beiden bisherigen Bücher und das neue Buch als E-Book und PDF-Datei. Die 25-Euro-Spender erhalten zusätzlich das frisch gedruckte Buch frei Haus geliefert. Je höher die Spende wurde, umso wertiger wurde die Gegenleistung – bis zu der Rückseite des Buches als ganzseitige Anzeige für 500 Euro. Tatsächlich fiel mir die Idee mit der Anzeigen-Vermarktung an Geschäftsleute erst in letzter Minute ein, das hat aber das ganze Projekt in die Gewinnzone gebracht. Geschäftsleute können das ja eventuell noch als Betriebsausgaben absetzen.

Das heißt, es hat also jemand die 500 Euro gespendet?

Ja, ein taiwanesischer Geschäftsmann, der in Deutschland lebt. Und ein anderer 300 Euro für eine halbseitige Anzeige im Inneren des Buches. Diese beiden Spenden haben das Buch über die Grenze von 2000 Euro gehoben.

Netzwerken und viele Zielgruppen ansprechen

Tschüss Deutschland – ni hao Taiwan
Tschüss Deutschland – ni hao Taiwan!

Gibt es noch andere Erfolgsgeheimnisse?

Du musst sehr gut netzwerken und möglichst viele Zielgruppen ansprechen.

Wen hast Du zum Beispiel angesprochen?

Natürlich alle meine Facebook-Fans/Freunde, Twitter-Follower, Kollegen und Freunde – aber auch alle anderen relevanten Multiplikatoren. Ich habe es zum Beispiel in den Newsletter des Konsulats von Taiwan geschafft.

Wer hat gespendet?

Von den Unterstützern kenn ich etwa ein Drittel persönlich und von einem weiteren Drittel weiß ich, dass es mir auf Facebook folgt. Aber etwa ein Drittel der Namen auf der Liste sagen mir gar nichts.

Was außer freundschaftlicher Verbundenheit hat diese Menschen dazu bewegt, für Dein Buchprojekt zu spenden?

Ich glaube, dass viele in Deutschland lebende Taiwanesen und deutsche Taiwan-Freunde unzufrieden damit sind, dass in Deutschland nur sehr wenig über Taiwan bekannt ist. Es gibt nämlich nur sehr wenige Informationen und zum Beispiel nur zwei Reiseführer. Durch die Schönwetter-Politik zwischen China und Taiwan ist Taiwan seit 2008 auch kaum mehr in den deutschen Medien präsent. Die berichten meist nur, wenn es eine Krise gibt, wir kennen das ja als Medienmacher.

„Mitte April möchte ich fertig sein“

Und wie geht es jetzt weiter mit Deinem Buch?

Ich werde es wieder über Blurb publizieren – und zwar schnell. Ich bin derzeit in Deutschland und möchte die fertig gedruckten Bücher noch persönlich einpacken und an die Spender schicken, bevor ich wieder zurück nach Taiwan fliege. Ich sitze gerade an den Texten und an den passenden Fotos und möchte bis Mitte April fertig sein.

Und dann hat sich die ganze Arbeit gelohnt?

Sicher nicht finanziell. Von 2445 Euro abzüglich 5 Prozent Provision an Krautreporter werde ich nicht reich. Vor allem muss ich davon ja noch alle Exemplare für die Unterstützer aus eigener Tasche bezahlen und verschicken. Ich mach das ja nicht, weil ich davon abhänge. Aber ich weiß schon jetzt, wo das Buch noch gar nicht gedruckt ist, dass ich es verkauft habe und Leser finde, die sich darüber freuen. Das ist doch toll.

Was ist Deine LousyPennies-Strategie? Willst Du bald von Büchern oder digitalen Medien leben können?

Die Reise geht auf alle Fälle dahin. Aber weder mit meinen Büchern noch mit meiner Webseite, Facebook oder Twitter verdiene ich aktuell mehr als ein paar Lousy Pennies, auch wenn ich natürlich verschiedene Monetarisierungswege wie etwa Flattr oder Adsense ausprobiere. Ich bin wie die meisten Journalisten auf längere Sicht noch auf die klassischen Medien angewiesen, für die ich ja auch sehr gerne arbeite. Ich glaube aber auch, dass man gar nicht früh genug in den digitalen Medien starten kann. Wie gut das funktionieren kann, zeigt zum Beispiel der Tech-Blogger Sascha Pallenberg, der wie ich aus Taiwan berichtet und seine Nische gefunden hat, mit der er richtig gutes Geld verdient. Mit Sascha als VJ habe ich bereits mehrere Fernsehbeiträge fürs ZDF gedreht. Für mich bleibt es noch lange eine Mischkalkulation, bei der die klassischen Medien überwiegen.

Lieber Klaus, herzlichen Dank für das Gespräch!

Taiwan: Snapshots od Democracy in Action
Taiwan: Snapshots od Democracy in Action

Über Klaus Bardenhagen

Klaus Bardenhagen (36) hat ein Hörfunk- und TV-Volontariat beim NDR absolviert. 2008 kam er für ein dreimonatiges Stipendium erstmals nach Taiwan, 2009 entschied er sich, als freier Journalist auf die Insel zu gehen. Aus Taipeh berichtet er hauptsächlich für Sender wie den Deutschlandfunk und die Deutsche Welle, schreibt aber auch für Zeitungen. Auf seiner Facebook-Seite folgen ihm fast 3000 Menschen, viele aus Taiwan, den USA und auch aus Deutschland. Auf Twitter hat er 1400 Follower. Auf www.taiwanreporter.de stehen seine Arbeitsproben und auf www.intaiwan.de bloggt er über seine Erlebnisse.

Das Bewerbungsvideo von Klaus für Krautreporter:

Formosa! Das ist Taiwan (Buchprojekt) from taiwanreporter on Vimeo.

Links der Woche: Storify, LSR, Roboter-Journalist, Reporter Workshop und Blogger

Und wieder einmal haben wir interessante Links rund um unser Thema gefunden. Was kann Storify? Eine Liste mit 8 Storify-Typen Journalistin Sonja Kaute fasst zusammen, wie Journalisten das Sociel-Media-Werkzeug Storify nutzen können und verlinkt auf viele Beispiele. Ich persönlich habe Storify hier auf LousyPennies auch schon einmal ausprobiert und kann sagen, dass es wirklich sehr … Weiterlesen …

Vertical Networks – große Werbung für kleine Seiten

von Mosmas (Eigenes Werk) [GFDL oder CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0], via Wikimedia Commons

Auch kleine Seiten können gutes Geld verdienen, indem sie sich großen Partner-Netzwerken anschließen. Hier kommen Tipps zu Vertical Networks und eine Übersicht deutscher Anbieter, frisch überarbeitet im April 2014. Unter einer halben Million PIs brauchst Du gar nicht anfangen.“ – Dieser Satz eines Medienberaters klingt mir heute noch in den Ohren. Er hat Recht: Reichweite … Weiterlesen …