
Fast unbemerkt startete Anfang des Jahres eine neue Bezahlplattform für Journalisten und Blogger in Deutschland: Steady ist seit Januar in der öffentlichen Beta-Phase.
Jeder, der Inhalte publiziert, kann bei Steady teilnehmen. Und einige verdienen schon jetzt gutes Geld damit. Einer der Macher von Steady ist Sebastian Esser, Mitbegründer der Krautreporter. Mit ihm habe ich über die neue Plattform und die Chancen des Geldverdienens im Journalismus gesprochen.„Fünf Prozent einer Community würden eine Veröffentlichung finanziell unterstützen“
Sebastian, kannst Du kurz beschreiben, was Steady ist? Steady ist eine Plattform für Abo-Crowdfunding. Wobei das weniger mit Crowdfunding zu tun hat, als es klingt. Wir wollen Leser zu Abonnenten machen und dazu nutzen wir die Mechaniken des Crowdfunding. Die Leser sollen überzeugt werden zu bezahlen, ohne dass sie es müssen.
Steady ist Crowdfunding ohne Drama.Nicht ganz. Stell Dir Steady als Crowdfunding ohne Drama vor. Es gibt nicht die tickende Zeitbombe, die einen zwingt ständig jemanden zum Zahlen zu bewegen, damit man nur ja das gesteckte Ziel erreicht. Das kenne ich ja von Krautreporter noch sehr gut – eine sehr stressige Angelegenheit. Steady-Unterstützer lassen sich dagegen langsam aufbauen. Viele Webseitenbetreiber setzen das System erst einmal auf, akquirieren ein paar Freunde, lassen es nach und nach wachsen, bauen das Widget auf der Seite ein … ganz in Ruhe, ohne Druck. Kampagne bedeutet bei uns daher eher klassisches Marketing, also die Leser zu zahlenden Abonnenten zu machen. Wenn man sie mehr als einmal darauf hinweist, wird es funktionieren. Das geht per Newsletter, Facebook, WhatsApp, Twitter oder direkt unter den Beiträgen auf einer Webseite.

Wer einmal ein Abo abschließt bleibt oft treuDas ist das selbe Prinzip wie im klassischen Print-Abomarketing. Dort bekommt man vielleicht einen Toaster geschenkt, wenn man ein Spiegel-Abo abschließt. Die Abo-Abteilung weiß aber, dass ein Gutteil der Leute bleiben wird. Wer einmal ein Abo abschließt bleibt oft treu. Der Toaster wäre also das, was Ihr auf der Webseite als “Dankeschön” bezeichnet? Da handelt es sich nun wirklich um klassisches Marketing. Ich verstehe davon an sich nicht viel, ich bin ja Journalist. Aber was ich mir hab erzählen lassen, gehören zum erfolgreichen Marketing immer zwei Dinge: Zum einen stellt sich der potentielle Abonnent die Frage “was habe ich eigentlich davon?” Da bieten sich im Fall von Webseiten Prämienpakete wie zusätzliche Podcasts, spezielle Newsletter oder ein Mitgliederbereich an. Zum anderen muss es grundsätzlich attraktiv wirken. Dazu braucht es eine gute Vorstellungsseite mit einer Vorstellung, einem guten Foto oder Video und viel Transparenz.
„Mir wurde klar, ich muss das jetzt selbst machen“
Du hast gerade selbst gesagt: Du bist ja Journalist. Wie kommen Journalisten darauf, plötzlich eine Bezahlplattform zu entwickeln? Ich habe mich selbstständig gemacht, nachdem mir zum zweiten Mal ein Magazin unterm Hintern zu gemacht worden ist: die Vanity Fair. Da habe ich gemerkt: Die Verlage haben große Schwierigkeiten sich zu finanzieren. Es ist ja nicht so, dass der Bedarf an Journalismus nicht mehr vorhanden ist. Das Kernproblem ist eben im Augenblick die Finanzierung. Ich will jetzt gar nicht alle Podiumsdiskussionen der letzten Jahre nochmal durchkauen. Aber mir wurde klar, ich muss das selbst machen. Es braucht aber eine Lösung abseits von Verlagen, weil die derzeit zu stark mit dem Strukturwandel beschäftigt sind. Dann lieber als Journalist selbst etwas Neues entwickeln. [pullquote align=right]Ich habe mich selbstständig gemacht, nachdem mir zum zweiten Mal ein Magazin unterm Hintern zu gemacht worden ist Wir haben 2012 Krautreporter zunächst als Crowdfunding-Plattform für Journalismus gegründet. Das hat super funktioniert, in einem Jahr hatten wir eine viertel Million Euro mit journalistischen Projekten umgesetzt. Dann haben wir quasi als Beweis das Krautreporter-Magazin veröffentlicht. Dabei haben wir gemerkt, dass es technisch recht schwierig ist, ein Mitgliedschaftsmodell aufzusetzen. Auch die großen Medien hatten das vor drei Jahren ja noch nicht – es gab lediglich Bild plus, alle anderen kommen erst jetzt damit um die Ecke.
„350.000 Euro klingt zunächst nach wahnsinnig viel“
Google hat Euch mit 350.000 Euro aus der Digital News Initiative gefördert. Kannst Du uns erzählen, wie Ihr an diese Förderung gekommen seid? Wir haben uns beworben, haben beschrieben was wir vorhaben – sehr konkret – und die Jury fand das gut. Wir hatten Steady ohnehin vorher als klassisches Startup geplant und es erst dann Google gezeigt. Die fanden das überzeugend, weil es auch als Geschäftsmodell funktionieren kann und nicht nur eben mal so irgendeine Idee ist. Ihr seid acht Menschen, dazu braucht Ihr Technik – haben da die 350.000 Euro von Google gereicht? Du hast recht, 350.000 Euro klingt zunächst nach wahnsinnig viel – gerade für Blogger. Aber wenn man in Berlin Software-Entwickler, Designer und Techniker beschäftigen will, dann braucht man mehr Geld. Wir haben weitere Investoren gefunden und sind auf Dauer gesichert. Wir reden immer mit Leuten, die das Projekt interessant finden.
„Bei Lastschrift sind die Kosten am niedrigsten“
Thema Datenschutz und Sicherheit: Wie sichert Ihr das ab? Wir benutzen zunächst die hohen Sicherheitsstandards der Bezahldienstleister. Du kannst bei uns mit Paypal, Kreditkarte oder Lastschrift bezahlen. Da haben wir Dienstleister, die das Thema Sicherheit wahnsinnig ernst nehmen, da es ihr Kerngeschäft ist. Wer sich mit Paypal nicht sicher fühlt – auch angesichts der politischen Lage – bedient sich der Lastschrift. Dafür nutzen wir das Unternehmen GoCardless. Und für Kreditkarten arbeiten wir mit Braintree zusammen. Wir speichern selbst damit also gar keine Zahlungsdaten.
Wie die Zukunft von Steady aussieht
Apropos Deutschland: Werdet Ihr international expandieren? Das wollen wir tatsächlich. Es gibt jetzt schon eine englische Version der Webseite und es gibt bald erste Projekte außerhalb Deutschlands. Damit wir damit Geld verdienen, muss es ziemlich groß werden. Wir brauchen einen größeren Markt als Deutschland. Und es gibt auch keinen Grund, warum wir nicht damit in andere Euro-Staaten gehen. Aber für den Start konzentrieren wir uns auf Deutschland und den Bereich Journalismus. Wir können dann künftig über Journalismus hinausgehen: Videos, Podcasts, Software, Vereine … da sehen wir viel Potential. Wie viele Publisher nutzen Eure Plattform stand heute? 44 Projekte und mehr als 800 zahlende Unterstützer, ob wohl es erst im Januar richtig losging. Richtet Ihr Euch hauptsächlich an Blogger und kleine journalistische Unternehmen oder gibt es auch Verlagshäuser, mit denen Ihr zusammenarbeitet? Mit Verlagen reden wir, gerade weil die auf einer Technik sitzen, die viel zu groß ist. Die haben oft Aboverwaltungs-Software aus den 90ern, die alles mögliche kann, die aber auch sehr schwerfällig ist. Die müssten erst ein halbes Jahr programmieren, dagegen ist Steady in zehn Minuten ausprobiert. Die Verlage wollen aber mehr Flexibilität von uns, und dafür müssen wir unsere API erst einmal fertigstellen. Das dauert aber nicht mehr Jahre sondern Monate.„Wir wollen nicht bestimmen, wer mit welchen Inhalten Geld verdient“
Gibt es Qualitätskriterien, die Ihr an die Publisher anlegt? Oder darf jeder mitmachen? Wir sind keine Zensoren. Wir wollen nicht bestimmen, wer mit welchen Inhalten Geld verdient. Aber es gibt klare Kriterien dafür, was wir nicht erlauben. Diskriminierende Inhalte zum Beispiel. Das ist aber üblich – auch bei Youtube oder Kickstarter. Wir sagen einfach nur: Es gibt Grenzen. Man kann zum Beispiel auch nicht einfach nur Geld verlangen ohne Projekt. In unseren Blog-Kursen merken wir: Blogger, die sich professionalisieren, sind oft verunsichert über die steuerrechtliche Seite des Geschäfts. Was übernehmt Ihr da an Service? Wir sind ein Wiederverkäufer. Die Rechnungen, die wir an Deine Unterstützer ausstellen, sind Rechnungen von Steady. Du bekommst dann von uns eine Gutschrift mit Deinem Mehrwertsteuerbetrag darauf – das gibst Du dem Steuerberater und fertig.
„Wir haben noch viel zu tun … aber das Grundprinzip funktioniert“
Steady sieht an sich “fertig” aus. Was kommt als nächstes? Steady funktioniert, ist aber noch lange nicht fertig. Wir sehen noch viel Potential die Abwicklung auf der Publisherseite abzubilden. Sprich: Ein Widget auf der eigenen Seite soll auch schon die Anmeldung und Bezahlung regeln. Dann werden wir daran arbeiten, dass man Steady als eine Art Paywall einsetzen kann. Heißt, dass ab einem bestimmten Bereich nur noch Mitglieder lesen können. Wir denken auch über Kombi-Abos nach. Zum Beispiel, dass man für 5 Euro nicht nur das eine, sondern mehrere verwandte Blogs und vielleicht noch einen Podcast unterstützt. Wir haben also noch viel zu tun … aber das Grundprinzip funktioniert schon. Vielleicht unterhalten wir uns dann in einem Jahr wieder. Ich danke Dir, Sebastian.Mehr Details unter http://hilfe.steadyhq.com/
Danke, Stephan, für den interessanten Beitrag!
Für Dich doch immer, lieber Ecki.
Neulich noch drüber gesprochen und schon findet sich hier was zu. Super! :)
So sind wir :)
Klingt ein wenig wie Patreon. Oder täuscht das?