Wir Journalisten recherchieren – Hand auf’s Herz – am meisten im Internet. Dort wimmelt es an Informationen. Für jeden Artikel, jedes Thema sprudeln im weltweiten Netz unendlich viele Quellen, die man noch „kurz checken“ oder „kurz überprüfen“ möchte. Immer mehr Tabs tummeln sich im Browserfenster – das natürlich während des Schreibens permanent geöffnet bleibt …
Immer wieder recherchiert man weiter und prokrastiniert irgendwann mal vor sich hin, während die Deadline immer näher kommt. Am Schluss wird womöglich hektisch zusammengefasst anstatt langsam und stilvoll einen schönen Artikel zu schreiben.
Geht auch anders
By Ministry of Information Photo Division Photographer [Public domain or Public domain], via Wikimedia CommonsEin einfacher Trick hilft: konsequent im Vollansichts-Modus schreiben, physisch und psychisch. Es wird nur dieses eine Ding erledigt: schreiben. Nichts nebenbei.
Die wichtigste Voraussetzung dafür ist eine gute Vorbereitung. Ist es soweit, alles recherchiert, alles überprüft, lenkt einen nichts mehr ab. Keine Tabs im Browser rufen still: „Schau doch mal hier nochmal!“ Wer ganz hart unterwegs ist, legt sich zur Sicherheit noch den digitalen Keuschheitsgürtel (siehe Teil 1) um und fertig.
Was folgt ist die schönste Situation beim Verfassen eines Textes: Es gibt nur dich und den Text.
Viele kleine Helferlein
Extra für Schreiberlinge gibt es ganz wunderbare Programme, die sich genau darauf konzentrieren und jeden Hauch an FocusWriter oder – für extreme Puristen – Writemonkey.
Ich schreibe diesen Artikel in diesem Moment im WordPress-Vollansichts-Modus. Nichts lenkt mich ab. Alle anderen Programme, inklusive Mail, sind abgeschaltet.
Keine Bling-Geräusche machen mich auf einen neuen Facebook-Freunde-Eintrag oder sonstige Nachrichten aufmerksam.
Fertig.
Wieder ein AWD meiner Liste (siehe Teil 1) verschwindet unter einem dicken schwarzen Filzstift-Strich. Und ich denke an Woody Allens schönen Spruch: „Du kannst nicht zwei Pferde mit einem Hintern reiten.“
Auch diese Woche wollen wir nicht auf unsere Linktipps der Woche verzichten. Wie immer bei LousyPennies beschäftigen sie sich vor allem mit den Themen Geldverdienen als Journalist und dem Medienwandel. Lesenswert sind sie unserer Meinung nach alle.
Schon oft haben wir bei LousyPennies davon gesprochen, dass der Journalismus gerade eine unglaublich spannende Zeit durchmacht – mit all den Möglichkeiten, die sich durch das Internet bieten. Ja, die Lousy Pennies fehlen, aber es ist doch gigantisch, was man heute alles tun kann… Bob Garfield vom Guardian ist da deutlich nüchterner, ja fast pessimistisch. Er sagt: „Das ist nicht das goldene Zeitalter des Journalismus. Es ist die Endzeit für die Nachrichtenmedien.“ Und so gerne ich ihm im Prinzip widersprechen möchte, hat er doch viele Argumente, die schlüssig sind – und wir gerade die Apokalypse des Journalismus erleben. Er vergleicht die Nutzer der vielen Gratisangebote im Web mit Plünderern. Noch können sie aus dem Vollen schöpfen – doch wenn die Geldpolster der Verlage aufgebraucht sind, wird es auch keine hochklassigen News zum Plündern mehr geben… Sein Fazit: „Anyone who cares deeply about quality, independent journalism should pray for paywalls and other subscription models to take hold.“
Diesen Beitrag hätten wir auch sehr gerne bei LousyPennies gehabt: Daniel Drepper, bekannt durch seine Arbeit im WAZ-Investigativ-Ressort, stellt sich die Frage, die uns alle bewegt: Wie kann sich Journalismus in Zukunft finanzieren. Kurz zusammen gefasst: Er sieht keine Zukunft für Print-Produkte und für das „klassische Modell des gebündelten Bezahl-Mediums“. Die Leser werden zunehmen nur für einzelne Stories bezahlen, nicht für Henri Nannens berühmte Wundertüte. Drepper setzt bei investigativen Recherchen auf Spenden und Stiftungen. Für mich die beeindruckendste Aussage von Drepper: „Um kritischen Journalismus in der Breite zu erhalten, braucht es an Journalismus interessierte Verleger und Investoren. Journalismus wird in Zukunft kein Geschäft mehr sein, Journalismus ist eine für die Gesellschaft bedeutsame Leidenschaft.“
Eva-Marie Meyer ist Journalismus-Studentin im bald vierten Semester – und stellt sich wie viele angehende Journalisten die Frage: Wie verdiene ich später mein Geld? Dass Sie bei der Suche nach der Antwort regelmäßig auf LousyPennies.de vorbei schaut, freut und ehrt uns. Und auch, dass sie sich von der aktuellen Diskussion nicht demoralisieren lässt. Sie hat sich entschieden. Sie wird beim Journalismus bleiben. Aber sie sagt auch: “ Zum Glück studiere ich noch ein bisschen…“
Der Journalist als Marke – darüber haben wir ja schon ausführlich geschrieben und auch kurz den Dienst Klout angerissen, der mit dem „Klout-Score“ die Meinungsführerschaft in sozialen Netzen misst. Der Social-Media-Experte Ralph Scholze von Webpixelkonsum.de beschreibt nun, wie Unternehmen Klout nutzen könnten, um die Relevanz von Meinungsführern zu messen. Er schreibt: „Für Unternehmen ist Social Media kein Selbstzweck, sondern sie müssen mit ihren knappen Ressourcen haushalten. Somit könnte der Klout-Wert Unternehmen beim identifizieren von beispielsweise Innovatoren [2] und Megafonen [3] behilflich sein.“ Werden Journalisten/Blogger in Zukunft also nur noch aufgrund Ihres Klout-Scores zu Pressekonferenzen und anderen Veranstaltungen geladen? Nun ja, ich kann mir das schon sehr gut vorstellen… P.S. Kennt Ihr eigentlich Euren Klout-Score?
Update: Obwohl das Leistungsschutzrecht nun seit 1. August 2013 in Kraft getreten ist, haben fast alle deutschen Verlage und Medienhäuser Google weiterhin erlaubt, die so genannten „Snippets“ in Google News zu zeigen. Dies in den meisten Fällen aber nur „unter Vorbehalt“. Siehe einen Artikel von Zeit Online hier.
[hr]
Als ob das Leben als Journalist im Internet nicht schon kompliziert genug wäre, hat es das Leistungsschutzrecht noch komplizierter gemacht. Und auch wenn die Befürworter immer wieder behaupten, dass es sich gar nicht gegen uns kleine Blogger richtet und uns auch unser Anwalt versichert hat, dass das Zitatrecht weiter gilt, finde ich: Vorsicht ist besser als abgemahnt zu werden.
Was da am besten hilft?
[highlight]Eine Liste mit klaren, rechtsverbindlichen Aussagen verschiedener Seitenbetreiber zum #LSR, die mir genau sagt, was ich wo und wie auf meinen Seiten zitieren kann.[/highlight]
Klare Aussagen gibt es allerdings nur von Seiten, die sich gegen das LSR positioniert haben. Jedenfalls so lange nicht ganz geklärt ist, wie lang Snippets nun sein dürfen bzw. es noch keine konkrete Aussage von Seiten der LSR-Befürworter gibt.
Generell gilt bei allen hier genannten Angeboten: Kurze Zitate und Anrisse („Snippets“) sind erlaubt – aber keine kompletten Übernahmen.
Hier sind die Aussagen, die wir bisher gefunden haben:
Digitalchef Marcus Schwarze schreibt auf Google+: „Wir freuen uns über Links auf unsere Texte. Wer will, darf dazu gerne und gefahrlos unsere Überschriften und URLs nutzen. “ Und weiter „Auch die Übernahme unserer Vorspänne sehen wir gelassen – mit folgender Einschränkung. Wir bitten darum, am Ende dieser Texte tatsächlich zu uns zu verlinken, nicht einfach nur ohne Link „Quelle: Rhein-Zeitung“ zu schreiben – sondern explizit zu der Langfassung unseres Textes.“ Quelle
Jochen Wegener, neuer Chefredakteur von Zeit Online, sagt es in einem Blogbeitrag ganz deutlich: „Wir freuen uns, wenn Sie ZEIT ONLINE und DIE ZEIT zitieren.“ Laut Wegener dürfen alle Onliner „…kurze Auszüge unserer redaktionellen Texte ohne ausdrückliche Genehmigung wiedergeben, wenn Sie uns als Quelle nennen und direkt zum Originaltext verlinken. Auch die Text-Auszüge, die unsere Content-API ausgibt, können Sie wie bisher verwenden. Gleiches gilt für unsere RSS-Feeds.“ Quelle
„Unsere Überschriften und Anrisstexte können wie bisher verwendet werden. Wir werden das Leistungsschutzrecht nicht nutzen, um Links und Zitate zu unterbinden.“ Dies gelte auch, so Spiegel Online, wenn man auf seiner Seite mit Werbung Geld verdiene. Quelle
Bei einer Verlinkung auf den eigenen Text gibt sich Sz.de generös: „Drei Sätze plus Überschrift und Vorspann halten wir dabei grundsätzlich für eine gute Grenze, auch wenn das Zitatrecht weniger erlauben sollte.“ Und: Aggregatoren wie Rivva dürfen weiter Snippets bringen. Auch die Übernahme der RSS-Feeds ist erlaubt. Quelle
Das Debattenportal erlaubt wie bisher Zitate (mit Quellenangabe) und Snippets mit dem Umfang: Überschrift, Teaser, erster Absatz oder ein entsprechendes Zitat. Quelle Ergänzung in den Kommentaren (s.u,): „Carta “erlaubt” ebenfalls die Übernahme von CC-Texten unter den entsprechenden Bedingungen der Lizenzen.“
Die Hessische/Niedersächsische Allgemeine stellt klar, „dass Überschriften und Anrisse unserer Artikel wie bisher verwendet werden dürfen. Wir werden das Leistungsschutzrecht nicht nutzen, um Links und Zitate zu unterbinden.“ Quelle
Die Überschrift plus Vorspann sind für den Westen als Übernahme (mit Verlinkung) ohne Anfrage okay. Gewerbliche Anbieter müssen eine Anfrage stellen. Quelle
Der Verlag der c’t hat sich früh positioniert: „Wir akzeptieren keine Einschränkungen der Freiheiten und Möglichkeiten des Internet.“ Erlaubt sind die Artikelüberschrift und der Anrisstext oder „eine vergleichbare Textlänge“. Quelle
Alle Blogwerk-Publikationen dürfen von Publishern, Aggregatoren oder Bloggern wie bisher zitiert und verlinkt werden. Als Schweizer Unternehmen unterliege man übrigens nicht dem deutschen LSR. Quelle
Timo Friedmann, Chefredakteur von Motor-Talk: „Alle Inhalte von MOTOR-TALK bleiben weiterhin frei zugänglich. Für Google, für andere News-Aggregatoren. Ohne Einschränkungen, ohne Bezahlschranke.“ Quelle
Verleger Jakob Augstein legt sich klar fest: „Wir erklären hiermit also noch einmal feierlich, dass wir uns weiterhin über jeden Link und jedes Zitat freuen. Eine Verlinkung des Freitags wird weder einer Erlaubnis bedürfen, noch wird sie je Geld kosten. Auch vor Abmahnungen muss sich niemand fürchten, wenn er uns zitiert.“ Quelle
Nutzer können mit der Artikel-Überschrift und mit dem Vorspann auf einen Artikel auf pcwelt.de verlinken. „Sie dürfen auch gerne aus dem Artikel-Text zitieren und den ersten Absatz übernehmen.“ Quelle
Kurze Textpassagen und Snippets sind mit Quellenhinweis erlaubt. „Eine Übernahme der Überschrift und des Teasers ist erlaubt, wenn ein Link zum Artikel auf unserer Seite führt und wir namentlich genannt werden und damit der Urheber des Gedanken kenntlich gemacht wurde.“ Quelle
Die Stiftung Warentest erlaubt das Zitieren und Verbreiten per RSS.Feed von von Titel und Vorspann eines Artikels. „Auch das Zitieren kurzer Passagen aus dem Text selbst bleibt gestattet, sofern die übernommen Passage zur Erläuterung des Textes auf test.de erforderlich ist.“ Immer die Quelle nennen! Quelle
Vocer erlaubt nicht nur Zitate, Verlinkungen und Snippets im bisherigen Umfang – sondern auch die Komplett-Übernahme von entsprechend gekennzeichneten Texten (CC-Lizenz). Quelle
Auch hier eine klare Aussage (siehe auch Kommentare): „Aggregatoren, Publisher, Blogger und Leser können, wie bisher schon, auch in Zukunft gerne Snippets und Zitate von t3n.de verwenden. Solange sich das Snippet auf die Überschrift und den ersten Absatz beschränkt oder das Zitat eine ähnliche Länge hat: immer gerne.“ Quelle
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Sobald es klare Aussagen von Befürwortern gibt, werden wir sie hier ebenfalls dokumentieren.
Ertrinkende greifen nach jedem Strohhalm. Und Journalisten in den heutigen Zeiten auch. Der neueste Strohhalm heißt „Content Marketing“.
Wann genau der Begriff „Content Marketing“ angefangen hat, durch die Köpfe zu geistern, kann ich nicht sagen. Doch man liest derzeit überall von ihm, heiß wird diktiert, wie Content Marketing unseren Beruf – den des Journalisten – verändern wird. Das US-Portal Mashable fragte sogar: „Can Content Marketing Save Journalism?“
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst einmal klären, was denn dieses merkwürdige Content Marketing überhaupt ist: Content Marketing ist ein Hype-Wort, dass zum Beispiel Corporate-Publishing-Agenturen wie Kircher-Burkhardt in diesen Tagen fast mantraartig wiederholen.
Es heißt in letzter Konsequenz nichts anderes, als dass Unternehmen zu Verlagen werden. Während die Industrie in den guten, alten Zeiten darauf angewiesen war, ihre Botschaften per Anzeigen oder PR in die Medien zu bringen, machen sie heute einfach ihre eigenen Medien. Im Netz, im Appstore, im TV, am Kiosk. Statt Werbung verbreiten diese Unternehmen, strategischen Content, der auf den ersten Blick nur wenig mit ihrer Marke zu tun hat – und gerade deshalb so effektiv ist, übrigens auch bei der Google-Suche.
Wie funktioniert Content Marketing?
Um mal wieder einen Branchenbegriff los zu werden: Der Trend beim Content Marketing geht weg von dem klassischen „Paid Media“ (Anzeigenschaltungen) über „Sponsored Media“ (vom Unternehmen klar gekennzeichnet gesponserte Medien) zu „Owned Media“ (eigenen Medien).
Das Unternehmen hat plötzlich eine Reichweite und Glaubwürdigkeit, die vorher nicht bestand – oder vielleicht nur durch eine Berichterstattung in traditionellen Medien erreichbar war.
Das Unternehmen hat plötzlich eine Reichweite und Glaubwürdigkeit, die vorher nicht bestand – oder vielleicht nur durch eine Berichterstattung in traditionellen Medien erreichbar war. Und hat man schlaue eigene Medien geschaffen, ist der Weg zu „Earned Media“ nicht mehr weit – die soziale Komponente. Denn wer richtig gute, nicht zu werbliche (digitale) Medien macht, der wird in den sozialen Netzen geteilt. Die Inhalte verselbständigen sich, werden Teil der Netzgemeinschaft. Das Unternehmen hat plötzlich eine Reichweite und Glaubwürdigkeit, die vorher nicht bestand – oder vielleicht nur durch eine Berichterstattung in traditionellen Medien erreichbar war.
Tatsächlich entdecken Journalismusforscher rund um den Globus, dass sich die Leser zunehmend von den traditionellen Medien abwenden, weil diese nicht mehr ihre Wünsche erfüllen. Neben Blogs, sozialen Medien und „spitzen“ journalistischen Webseiten/Magazinen springt Content Marketing in die Bresche.
Der „Gatekeeper“ Verleger ist plötzlich aus dem Weg geräumt. Verlage sind ein Modell von gestern…
Wer sehen möchte, wie so etwas funktioniert, muss sich nur die US-amerikanische Coca Cola Seite ansehen. Oder schaut Euch an, was Red Bull Publishing macht. Jedes mal, wenn ich „Servus in Stadt und Land“ sehe, bin ich weg geblasen, wie toll Print heute sein kann, wenn die Kosten keine Rolle spielen. Im Netz wären dann zum Beispiel auch abseits von Verlagen so tolle Stories wie etwa das Snow Fall der New York Times möglich.
Quelle/Copyright: City of Toronto Department of Public Works via Wikimedia/Commons
Und jetzt sind wir wieder bei den Journalisten.
[pullquote align=“right“]Auch wenn die Unternehmen keine Verlage mehr brauchen, brauchen sie doch Journalisten. Denn auch wenn die Unternehmen keine Verlage mehr brauchen, brauchen sie doch Journalisten. So arbeiten auch bei „Servus in Stadt und Land“ einige liebe Kolleginnen, die mir aus früheren Stationen bekannt sind. Tatsächlich unterscheidet sich das Heft und seine Redaktion in nichts von einer klassischen Redaktion – nur dass eben ein finanzstarker Energy-Drink-Konzern dahinter steht.
Ist das nun schlecht?
Nun, bei einem Heft der Landlust-Klasse glaube ich das nicht. Hier kann ich mir nur schwer vorstellen, wie sich der Einfluss eines Getränke-Konzerns negativ auf die redaktionelle Unabhängigkeit auswirken kann – die Bäuerin auf Red Bull? Unglaubwürdig!
[pullquote align=“right“]Was passiert, wenn eine Versicherung plötzlich ein Finanztest-Magazin herausbringt? Schwieriger wäre es aber, wenn Kircher-Burkhardt das für die Allianz aufwändig und mit sehr viel Journalismus produzierten Kundenmagazin „1890“ plötzlich als unabhängiges Finanztest-Magazin positionieren würde. Oder die CDU/CSU/SPD/Linke ein politisches Magazin heraus gäbe, das auf den ersten Blick für den unbefangenen Leser unabhängig wirkt – und ihn dann auf ganz unauffällige Art in die eine oder andere Richtung drängt. Ähnliches kann ich mir mit „ferngesteuerten“ Polit-Blogs im Internet vorstellen. Angeblich unabhängig, aber finanziert von einem Auftraggeber mit ebenso dezidierter Absicht wie tiefen Taschen.
Nochmal: Ist das nun schlecht?
Nicht per se. Man muss sich nur mit dem Gedanken anfreunden, dass man beim Content Marketing seine Lousy Pennies nicht mehr von einem klassischen Verlag erhält, sondern von einem Brausehersteller, einem Versicherer, einem Unterhaltungselektronik-Konzern…
Ob das noch der Journalismus der reinen Lehre ist, bleibt dahin gestellt…
Was muss also passieren, damit Content Marketing ein Feld für anspruchsvolle Journalisten wird?
Journalistischer Anspruch und Corporate Publishing passen eigentlich hervorragend zusammen, wie ich finde. Wer LousyPennies aufmerksam liest, weiß, dass ich selbst ja einen Großteil meines Lebensunterhalts mit Corporate-Publishing-Projekten (und Content Marketing!) bestreite – und mich im fortwährenden Selbstzweifel frage, ob ich da eigentlich noch Journalist bin.
Deshalb finde ich die Grund-Idee des Content Marketing so spannend:
Journalistisch einwandfreie Geschichte zu produzieren (nein, keine Enthüllungs und Investigativ-Geschichten), die angemessen bezahlt werden und eine begeisterte Leserschaft erreichen.
Der journalistische Anspruch ist nichts Wert, wenn der Kunde nicht will.
Das Problem, das ich hier sehe, ist tatsächlich ein Grundlegendes. Denn so schön die Idee klingt und so gewinnbringend sie für beide Seiten sein kann, so sehr weiß jeder Journalist aus dem Corporate Publishing Bereich, dass aller journalistischer Anspruch nichts Wert ist, wenn der Kunde nicht will.
Dort wo Produktmanager herrschen und nicht Journalisten, wird das fertige Produkt nur in den seltensten Fällen urjournalistisch sein.
Warum auch? Irgendwas müssen wir doch auch auf unseren Journalistenschulen und in den Volontariaten gelernt haben, was wir den Produktmanagern und Ingenieuren voraus haben. Ich könnte auch kein Auto bauen und würde nicht erkennen, wenn da ein Zahnrad falsch angeschraubt ist.
Für mich heißt das:
[pullquote align=“right“]Der Auftraggeber muss sich lösen von seinem klassischen Produkt-Proporz-Denken und sich einlassen auf journalistisch-kreative Inhalte. Damit der tolle Gedanke des Content Marketing und von Owned Media funktioniert, muss der beauftragte Journalist ganz viel Überzeugungsarbeit leisten. Und der Auftraggeber muss erkennen, dass er mit klassischem werblichen, unternehmenszentrierten Inhalten auf Dauer nicht sonderlich viele Blumentöpfe gewinnen wird. Er muss sich lösen von seinem klassischen Produkt-Proporz-Denken und sich einlassen auf journalistisch-kreative Inhalte – dazu gehört viel Mut und Vertrauen in sich selbst und den beauftragten Journalisten.
Es muss also die Aufgabe von uns Journalisten sein, Überzeugungsarbeit zu leisten – und in den Unternehmen einen Sinn für gut produzierte Medien zu schaffen. Medien, die genauso funktionieren, wie eine Publikumszeitschrift. Die Geschichten erzählen. Die spannend sind. Die gerne gelesen werden. Die nicht nur schön anzuschauen sind – und durch ihre Glaubwürdigkeit auch dem Unternehmen Glaubwürdigkeit geben, das sie finanziert.
Erst wenn die Unternehmen erkennen, dass sie mit eigenen aber journalistisch unabhängig produzierten Medien tatsächlich mehr erreichen können, als mit stumpfer Eigen-PR, die bei den meisten Lesern sofort im Papierkorb landet, funktioniert der Gedanke des Content Marketing wirklich – und es gibt ein weites Betätigungsfeld für kreative Journalisten.
Quelle/Copyright: City of Toronto Department of Public Works via Wikimedia/Commons
Ist Content Marketing aber nun der Retter des Journalismus?
Nun, zumindest hat Content Marketing das Potential, ganz viele Journalisten zu retten – und ihr Leben wieder auf eine solide, finanzielle Basis zu stellen. Dass damit der aufklärerische Journalismus im Sinn der 4. Gewalt im Staate gerettet werden könnte, so wie ihn glücklicherweise noch viele Kollegen verstehen und praktizieren, glaube ich nicht.
Als ich den Link von Mashable auf unserer Facebook-Seite gepostet habe, hat ein Kollege so geantwortet:
Es wird auf eine Mischung hinauslaufen aus Unternehmen und Stiftungen. Die Verlage sind tot.
Meine Meinung ist: Vielleicht wird es einige Verlage erwischen – aber viele haben die Power und die tiefen Taschen, den Medienwandel zu überstehen. Stiftungen sind sicher auch eine Möglichkeit.
Ich freue mich aber auf die vielen schönen Medien in der Offline- und Online-Welt, die entstehen, wenn die Verantwortlichen in den Unternehmen anfangen, ihr Marketing-Budget direkt in die Taschen von kreativen Journalisten zu schaufeln.
Disclosure: Als Unternehmer-Journalist mit eigenem Corporate Publishing Unternehmen ist Content Marketing für mich persönlich natürlich ein besonders spannendes Feld. Und ein Feld, über das ich nicht nur schreibe, sondern in dem ich auch unternehmerisch aktiv bin und meine LousyPennies verdiene.
Schon der erste Teil unserer Rechts-Serie mit Medien-Anwalt Prof. Dr. Gero Himmelsbach war extrem lehrreich für uns. Im zweiten Teil des Interviews wollten Stephan und ich genauer wissen, wo bloggende Journalisten aus rechtlicher Sicht besonders aufpassen müssen.
„Der Blogger muss sich an die gleichen Grundsätze halten wie jeder Journalist“
Karsten: Was sind denn eigentlich die größten rechtlichen Fallstricke beim Bloggen?
Ich glaube, dass der 1. Fallstrick zunächst eine oft schizophrene Sicht des Bloggers ist: Einerseits meinen viele Blogger, im Internet müsse man sich doch viel freier bewegen können als im echten Leben. Und anderseits besteht die Angst, wegen irgendwelcher Kleinigkeiten abgemahnt zu werden. Aber tatsächlich sind die rechtlichen Vorgaben im Internet zunächst genau die gleichen wie in der Print-Welt. Das heißt: Der Blogger muss sich an die gleichen Grundsätze halten, an die er sich auch als Print-Journalist halten würde.
Karsten: Vielleicht jetzt mit einem kleinen Unterschied – am Freitag hat der Bundesrat ja das Leistungsschutzrecht für Verlage durchgewunken. Nun haben viele Blogger Sorge, dass bei ihnen bald die Abmahnungen der Verlage ins Haus flattern…
Ich denke, die Sorge ist unbegründet. Blogger sind keine „Aggregatoren“ im Sinne der neuen Bestimmung. Wenn Blogger selbst Texte schreiben und darin Ausschnitte aus geschützten Medieninhalten nutzen, kommt es alleine auf das Zitatrecht an. Die neuen Regelungen greifen hier nicht.
Stephan: Was sind denn dann die wichtigsten Punkte, die ich beachten muss?
Es sind meiner Erfahrung nach vor allem vier Bereiche:
Die Schmähkritik.
Ein Eingriff in die Privat- oder Intimsphäre anderer Personen.
Verstoße gegen das Urheberrecht.
Unwahre Tatsachenbehauptungen.
Karsten: Was genau ist nochmal die Schmähkritik?
Hier steht die Diffamierung einer Person im Vordergrund und es findet keine Auseinandersetzung mit einer Sachfrage statt. „Politiker X ist ein fettes Schwein“ wäre so ein Klassiker. Dazu muss man aber sagen: Auch härteste Kritik in Sachfragen ist grundsätzlich durch die Meinungsfreiheit nach Art 5 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützt. Du kannst kommentieren und kritisieren – solange Du die Grenze zur Diffamierung nicht überschreitest. Ich glaube aber, dass hier das Risiko einer Rechtsverletzung bei einem ausgebildeten Journalisten minimal ist.
Stephan: Wie sieht es mit den Persönlichkeitsrechten aus?
Das ist schon diffiziler. Denn gerade bei Prominenten ist es oft schwer zu definieren, was noch öffentlich ist und was privat. Gerade bei Personen, die ihr Privatleben sehr stark selbst in die Öffentlichkeit tragen. Prinzipiell kann man sagen, dass immer ein gewisses Risiko gegeben ist, wenn ich nicht über das berufliche Leben der jeweiligen Person schreibe.
„Das Twitter-Bild hat jemand gemacht. Und garantiert nicht der Blogger“
Karsten: In dem Zusammenhang kommen wir vielleicht sofort zum Urheberrecht. Wie ist das denn mit den Twitter-Fotos der Stars, die so gerne von diversen Medien und auch Bloggern veröffentlicht werden?
Nun urheberrechtlich ist die Sache klar: Das Bild hat jemand gemacht. Und garantiert nicht der Blogger. Also müsste man eigentlich den Urheber fragen, ob man das Bild verwenden darf und gegebenenfalls ein Honorar zahlen. Dazu kommt das Recht am eigenen Bild der abgebildeten Personen. Da die das meist aber selbst twittern, sehe ich hier nicht so das Problem.
Stephan: Und urheberrechtlich dann auch nicht?
Nun ja, wenn sie wollten, könnten die Stars jederzeit die Medien verklagen, die ihre Twitterbilder ungefragt veröffentlichen. Ob sie das tun, steht auf einem anderen Blatt, denn viele machen das vermutlich mit dem Ziel, in die Medien zu kommen – aber sicher ist das nicht. Natürlich gehen große Medien das Risiko auch notfalls ein.
Karsten: Greift hier nicht das Zitat-Recht?
Wenn Du nur das Foto nimmst, auf keinen Fall. Wenn Du Dich mit dem Foto auseinandersetzt oder – noch besser – einen Screenshot des Tweets zeigst oder einer Webseite, vielleicht. Dann kann es ein zulässiges Bild-Zitat sein. Nach dem Motto: „Schau. Lieber User, das findest Du auf den Seiten von Star X“ – am besten noch mit einem Link zu den Seiten.
„Abschreiben schützt vor Strafe nicht“
Stephan: Wie ist es mit Text-Zitaten? Wie viel kann ich denn zitieren?
Das wird in der Rechtssprechung unterschiedlich gehandhabt – deshalb kann ich das so pauschal nicht beantworten. Nimm mal diesen Text:
Das OLG Jena hat den Text als urheberrechtlich geschützt angesehen. Viel wichtiger ist in diesem Zusammenhang eine andere Sache, die oft falsch gemacht wird: Abschreiben schützt vor Strafe nicht.
Karsten: Wie meinst Du das?
Wenn man eine unwahre Tatsachenbehauptung oder eine Schmähkritik aus einem anderen Medium weiter verbreitet, schützt mich auch der Verweis auf die Quelle nicht. Ich kann den gleichen Ärger bekommen wie der ursprüngliche Verfasser. Es ist so, als hätte ich die Behauptung selbst aufgestellt.
Stephan: Wie kann ich mich dagegen schützen?
Indem Du mehrere Facetten beleuchtest, also schreibst: Quelle X behauptet dies und jenes, Quelle Y sagt aber das und Quelle Z hat eine ganz andere Information. Also journalistisch abwägen und klar machen, dass es nur eine Information von vielen ist. Dann machst Du Dir die eine Behauptung nicht zu eigen und musst dafür nicht wie für eine eigene Äußerung gerade stehen.
Karsten: Kommen wir zum 4. Punkt: die unwahre Tatsachenbehauptung. Für eine solche kann ich doch eine Gegendarstellung bekommen?
Hierzu muss man zunächst einmal feststellen, ob Deine Internetseite überhaupt ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Telemedienangebot nach dem Rundfunkstaatsvertrag ist. Ein Indiz ist, wenn es kontinuierlich geändert und modifiziert wird.
Stephan: Ich finde, wenn wir uns als Journalisten im Netz begreifen, dann müssen wir auch in Kauf nehmen, dass der Rundfunkstaatsvertrag bei unseren Angeboten greift. Was also tun, wenn mir eine Gegendarstellung ins Haus flattert?
Auch das ist wieder eine wirtschaftliche Frage. Lasse ich zu, dass der Gegner die Gegendarstellung einklagt, können hohe Kosten entstehen. Also sollte man es sich wieder gut überlegen und dann die Gegendarstellung ggf. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht veröffentlichen.
„Man könnte der Gegenseite einen fairen Betrag anbieten“
Karsten: Und die Kostennoten des Anwalts?
Sind auch nicht selbstverständlich. Wenn es wirklich eine unwahre Behauptung war, könnte man der Gegenseite einen Betrag anbieten. 250 Euro könnten in einem solchen Fall fair sein.
Stephan: Worüber müsste ich eigentlich bloggen, wenn ich möglichst schnell abgemahnt werden möchte?
Details über das intime Verhältnis von Günter Jauch und Heidi Klum – das es natürlich nicht gibt!
ACHTUNG: Als besonderen Service für alle LousyPennies-Leser hat Prof.Dr. Gero Himmelsbach einen (kostenlosen) Musterbrief verfasst, mit dem Ihr auf eventuelle Abmahnungen reagieren könnt. Natürlich ohne Gewähr – und in der Hoffnung, dass Ihr ihn nie brauchen werden.
[hr]
Über Gero Himmelsbach
Professor Dr. Gero Himmelsbach ist seit 1994 Rechtsanwalt und Mitarbeiter der Sozietät Romatka in München, seit 1998 Partner. Er ist Honorarprofessor für Medienrecht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Autor des Praxis-Handbuches „Beck’sches Mandatshandbuch Wettbewerbsrecht“ und Mitherausgeber des Kommentars zum Bayerischen Mediengesetz. Daneben ist Gero Himmelsbach ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift GRUR-Prax (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht).
Gero Himmelsbach ist seit vielen Jahren in der Aus- und Fortbildung von Journalisten und Juristen tätig – etwa als Referent der Hanns-Seidel-Stiftung und der Bayerischen Akademie für Fernsehen oder als Dozent für Wettbewerbsrecht der BeckAkademie.
Gero Himmelsbach ist u.a. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Verlagsjustitiare, des PresseClub München e.V./International Press Club of Munich und war 1984 Mitgründer des Vereins „Nachwuchsjournalisten in Bayern (NJB) e.V.“, der junge Journalisten unterstützt.
ich habe Deinen Artikel gelesen und Du hast nicht Recht. Jedenfalls nicht ganz. Ich will Dir sagen, warum.
Zuerst war ich ganz auf Deiner Schiene, habe auf mich gesehen: Ich Versager. Aber das ist ein Reflex, den habe ich noch so drinnen, von damals, als ich evangelischer Konfirmand war.
Brav das Köpfchen beugen, die Schuld bei mir suchen, mich in Sack und Asche kleiden? Alter: Nicht mehr! Vielleicht haben wir irgendwie versagt, aber dieses Eingeständnis lenkt den Blick auf uns und weg von denen, die SCHULD am Leistungsschutzrecht haben, und die damit eiskalt durchkommen und sich nur ins Fäustchen lachen, wenn wir jetzt das Versagen bei uns suchen.
Reden wir also lieber über Schuld. Wer hat sie denn nun?
1. Die Verlage: Deren Schuld beginnt schon Anfang des Jahrtausends. Seitdem nämlich haben sie das Internet zu einer Kloake aus Titten, Abofallen und perverser Kriminalität stilisiert – kurz zu einem Abbild ihrer eigenen Boulevardblätter.
Noch ehe das “Kind mit dem Geburtsfehler” erwachsen werden durfte, um zu beweisen, was in ihm steckt, hatte es seine Unschuld gegenüber der älteren Generation verloren. Seitdem ist für unsere Mütter das Internet irgendwie böse – aber sicher nicht wichtig für die Zukunft Deutschlands. Unsere Eltern sind für das Internet die verlorene Generation.
Auf dem so bereiteten Boden fiel es ihnen nur allzu leicht das LSR vorzubereiten. Es erzeugte bestenfalls Häme bei unseren Eltern, am ehesten aber doch schlichtes Desinteresse.
2. Die sogenannten Qualitätjournalisten: Oh Gott, ich kann diesen widerlichen Begriff nicht mehr hören. Er versucht doch glatt das Bild von lauter Bob Woodwards und Carl Bernsteins zu zeichnen. Die Sache ist nur die: Die beiden genannten haben eine Geschichte lange recherchiert, haben sich mit Zentren der Macht angelegt und die Story teils gegen Widerstände aus dem eigenen Verlag durchbringen müssen – sie haben etwas riskiert!
Die, die immer das Wort vom hehren Qualitätsjournalisten führen, die auf Blogger verächtlich herabblicken, die haben gar nichts riskiert! Nichts! Obwohl ich kaum einen Redakteur kenne, der das LSR gutheißt (schon gar nicht bei den Online-Medien der Verlagshäuser), hat keiner den Mut aufgebracht, seinem Chefredakteur zu sagen: Komm, wir bringen das. Wir gehen gegen Springer vor. Wir müssen das mal erzählen.
Stattdessen haben die Redaktionen das Thema entweder protegiert (Leyendecker!) oder totgeschwiegen bis es zu spät war. Die halbherzige Berichterstattung jetzt zum Schluss, war Konzession an die Netzgemeinde, in der Hoffnung ein bisschen Buzz mit abzusahnen. Nichts weiter.
3. Die Politker: Ich sage es ganz offen, mich hat schockiert, wie pervertiert das politische System in Deutschland ist. Das ist meine Naivität. Aber die Schuld liegt dennoch nicht bei mir, sondern bei denen, die den kleinen hoffnungsfrohen Demokraten in mir gestern getötet haben. Besonders die SPD und Peer Steinbrück haben mich enttäuscht. Wie schizo muss man sein, etwas, wie das LSR öffentlich schlecht zu finden, und es dennoch als Opposition durchzuwinken?
Also: Deren Versagen, deren Schuld!
Hier! Das sind die Schuldigen. Nicht wir. Nicht die Netzgemeinde. Die hat sich organisiert, war sich selten so einig. Du, Sascha Lobo, schreibst: “es wäre unsere Aufgabe gewesen, es zu erklären und die Erklärung zu verbreiten”. Nein, das wäre die Aufgabe aller Verlage, Journalisten und Politiker gewesen, zu thematisieren und zu analysieren, es über alle Medien zu verbreiten. Dafür sind sie unter anderem da. Und das deutlich zu sagen und mit dem Finger darauf zu zeigen, #aufzuschreien, das sollten wir jetzt tun. Nicht das Versagen bei uns suchen.
Deren Versagen, deren Schuld!
Noch eins zu meiner Mutter: Selbst wenn ich es geschafft hätte ihr es zu erklären (wer kann das LSR eigentlich überhaupt erklären?), gibt es einen simplen Grund, warum sie nicht motiviert dagegen aufgestanden wäre: Es betrifft sie schlicht nicht. Es betrifft dieses Netz, und das ist irgendwie voller Titten, Abofallen und Kriminalität, nicht wahr?
* Gott, wie hoffe ich, dass alleine diese Ansprache unglaublich viele Tweets und Likes bringt …
Die E-Mail ist die Hydra moderner Kommunikation. Scheinbar unsterblich, scheinbar unersättlich, scheinbar unzähmbar. Scheinbar.
Gerade wir Journalisten sind auf Kommunikation angewiesen. Wir reden mit Informanten, Presse-Agenturen, Verlagen. Dass das mittlerweile nicht mehr nur über das Telefon passiert, ist schon eine Entlastung. Doch die Masse an Mails, die täglich in der Inbox landet, ist erdrückend. Teilweise schreibt der selbe Absender mehrmals am Tag, weil ihm immer wieder Ergänzungen einfallen. Hat man eine Mail bearbeitet, sind mittlerweile weitere eingetrudelt. Es scheint zu sein, wie Herakles‘ Kampf gegen die Hydra: Man schlägt einen Kopf ab, zwei wachsen nach …
Doch mit etwas Disziplin bekommt man seine Mail-Inbox in den Griff und verwandelt sie in ein herrliches Loch gähnender Leere. In jedem von uns steckt ein kleiner Herakles. Und der hat die Hydra am Ende auch besiegt.
Hier die vier schärfsten Waffen im Kampf gegen die unendliche E-Mail-Flut:
1. Niemals als erste Handlung des Tages Mails checken
Sie bedrohen die tägliche AWD-Liste (siehe Effektiv arbeiten, Teil eins) mit noch mehr To-Do’s – bevor man ein auch nur eines davon lächelnd eliminiert hat. Und nicht vor 10 Uhr morgens beantwortete Mails bringen einen – gelinde gesagt – selten in eine lebensbedrohliche Situation.
2. Der Mensch gibt den Takt vor
Dreimal am Tag seine Mails zu checken reicht lässig – am besten immer zur selben Zeit, zum Beispiel um 10, 14 und 17 Uhr. Ruhig Blut: Auch nach 17 Uhr nicht sofort beantwortete Mails sind selten existenzgefährdend. Wirklich wichtige Kommunikationspartner informiert man über den persönlichen Mail-Check-Rhythmus.
3. Schnell handeln
Das Ziel ist eine leere Inbox. Türmt sich der Mail-Berg unübersichtlich hoch, heißt es: nicht chronologisch, sondern nach Absendern sortieren. Das bündelt sie thematisch und erleichtert das Abarbeiten.
Weiter geht es mit Mail öffnen, maximal fünf Sekunden nachdenken, dann einen der folgenden Schritte ausführen:
löschen
archivieren
Ist eine Handlung nötig, die weniger als eine Minute dauert (zum Beispiel antworten, einen Termin im Kalender eintragen, unerwünschte Mails mit einem Filter aus der Inbox zu verbannen oder das Abo unerwünschter Newslettern zu kündigen): Tun! Danach löschen oder archivieren.
Ist eine Handlung nötig, die länger dauert: Die Mail mit einem Stern oder sonstigem Symbol markieren und in den To-Do-Ordner verschieben.
Bleibt man konsequent, dauert es ein paar Minuten und die Inbox ist leer. Check! Ein herrlicher Anblick.
Aber so verlagert man das Problem doch nur von einem Ort an den anderen – höre ich Kritiker sagen. Und: Was macht es für einen Unterschied, ob ich die To-Do-Mails als ungelesen markiert in meinem Posteingang lasse oder woanders platziere?
von Gilles Rousselet (Achenbach Foundation for Graphic) [Public domain], via Wikimedia CommonsEs macht einen Unterschied. Als ungelesen markierte To-Do-Mails in der Inbox bekommen permanent Nachwuchs. Wer so vorgeht, arbeitet Auge in Auge mit der kampflustigen Hydra. Schon der Anblick der niemals endenden Liste deprimiert und macht müde. Der selbst kontrollierte To-Do-Mails-Ordner wiederum bewegt sich im Takt des Users, ist übersichtlicher und erfreut das Herz, sieht man ihn schrumpfen.
4. Den To-Do-Ordner als Standardansicht im Mailprogramm einstellen
Die Inbox wird nur noch besucht, um sie so schnell wie möglich wieder zu leeren. Und nicht vergessen: Am Ende immer das Mailprogramm schließen. Immer.
Einmal daran gewöhnt, hat man Mitleid mit jenen, die es nicht tun. Und gewinnt Zeit. Vielleicht sogar genug, um sich mal wieder in die Abenteuer der griechischen Mythologie zu stürzen …
Klaus Bardenhagen hat es geschafft. Der 36-jährige Taiwanreporter ist der erste Journalist, der auf Krautreporter.de ein Projekt verwirklichen konnte. Insgesamt 2445 Euro kamen durch Crowdsourcing zusammen – was heißt, dass 60 Unterstützer zwischen 10 und 500 Euro spendeten. Damit kann er nun sein Buchprojekt „Formosa! Das ist Taiwan“ starten.
Kurz nach dem erfolgreichen Crowdsourcing-Abschluss haben wir ein Interview führen können.
„Für erfolgreiches Crowdsourcing muss man eine ordentliche Gegenleistung bieten“
Hallo Klaus, herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Projekt! Wie bist Du denn darauf gekommen, Dein Buch per Crowdfunding auf Krautreporter zu finanzieren?
Nun ja, ich hatte ja schon zwei Bücher auf der Selfpublishing-Plattform Blurb veröffentlicht (Hier sein Gastbeitrag auf Medialdigital.de darüber) und wollte das wieder machen. Nachdem sich aber mein letztes englisch-chinesisches Buch „Taiwan: Snapshots of Democracy in Action“ nicht so gut verkauft hat, habe ich mir die Frage gestellt: „Was ist, wenn das keiner will?“
Also hast Du quasi die Crowd gefragt…
Ja. Denn durch das erfolgreiche Projekt weiß ich nun, dass es einen Markt gibt. Ich weiß jetzt, das es Leute gibt, die ein ernsthaftes Interesse an meinem Buch haben und es gedruckt sehen möchten. Das ist ein tolles Gefühl.
Du bist nun sogar der Erste, der es geschafft hat. War das Strategie, ganz früh auf Krautreporter loszulegen?
Nun ja, ich dachte mir, je früher ich dabei bin, umso größer ist die Aufmerksamkeit. Ich habe dann auch schon in der Beta-Phase per E-Mail und Skype direkten Kontakt mit Sebastian Esser aufgenommen, dem Gründer von Krautreporter. Das war eine gute Zusammenarbeit, bei der wir zum Beispiel auch einige kleine Optimierungen an Krautreporter vornehmen konnten.
Formosa! Das ist Taiwan – das neue Buch von Klaus Bardenhagen
Ein anderer „Early Bird“, Julian Heck, ist ja leider gescheitert, er fand nicht genug Spender für sein Projekt. Was war Dein Erfolgsgeheimnis?
Ich glaube nicht, dass man das mit dem Projekt von Julian direkt vergleichen kann, aber ich habe schnell gelernt, dass man sich sehr genaue Gedanken machen muss. Ich glaube, dass man den Leuten auch für den Mindestbeitrag von „nur“ 10 Euro schon eine ordentliche Gegenleistung bieten muss.
Was waren Deine Gegenleistungen?
Für 10 Euro gab es etwa meine beiden bisherigen Bücher und das neue Buch als E-Book und PDF-Datei. Die 25-Euro-Spender erhalten zusätzlich das frisch gedruckte Buch frei Haus geliefert. Je höher die Spende wurde, umso wertiger wurde die Gegenleistung – bis zu der Rückseite des Buches als ganzseitige Anzeige für 500 Euro. Tatsächlich fiel mir die Idee mit der Anzeigen-Vermarktung an Geschäftsleute erst in letzter Minute ein, das hat aber das ganze Projekt in die Gewinnzone gebracht. Geschäftsleute können das ja eventuell noch als Betriebsausgaben absetzen.
Das heißt, es hat also jemand die 500 Euro gespendet?
Ja, ein taiwanesischer Geschäftsmann, der in Deutschland lebt. Und ein anderer 300 Euro für eine halbseitige Anzeige im Inneren des Buches. Diese beiden Spenden haben das Buch über die Grenze von 2000 Euro gehoben.
Netzwerken und viele Zielgruppen ansprechen
Tschüss Deutschland – ni hao Taiwan!
Gibt es noch andere Erfolgsgeheimnisse?
Du musst sehr gut netzwerken und möglichst viele Zielgruppen ansprechen.
Wen hast Du zum Beispiel angesprochen?
Natürlich alle meine Facebook-Fans/Freunde, Twitter-Follower, Kollegen und Freunde – aber auch alle anderen relevanten Multiplikatoren. Ich habe es zum Beispiel in den Newsletter des Konsulats von Taiwan geschafft.
Wer hat gespendet?
Von den Unterstützern kenn ich etwa ein Drittel persönlich und von einem weiteren Drittel weiß ich, dass es mir auf Facebook folgt. Aber etwa ein Drittel der Namen auf der Liste sagen mir gar nichts.
Was außer freundschaftlicher Verbundenheit hat diese Menschen dazu bewegt, für Dein Buchprojekt zu spenden?
Ich glaube, dass viele in Deutschland lebende Taiwanesen und deutsche Taiwan-Freunde unzufrieden damit sind, dass in Deutschland nur sehr wenig über Taiwan bekannt ist. Es gibt nämlich nur sehr wenige Informationen und zum Beispiel nur zwei Reiseführer. Durch die Schönwetter-Politik zwischen China und Taiwan ist Taiwan seit 2008 auch kaum mehr in den deutschen Medien präsent. Die berichten meist nur, wenn es eine Krise gibt, wir kennen das ja als Medienmacher.
„Mitte April möchte ich fertig sein“
Und wie geht es jetzt weiter mit Deinem Buch?
Ich werde es wieder über Blurb publizieren – und zwar schnell. Ich bin derzeit in Deutschland und möchte die fertig gedruckten Bücher noch persönlich einpacken und an die Spender schicken, bevor ich wieder zurück nach Taiwan fliege. Ich sitze gerade an den Texten und an den passenden Fotos und möchte bis Mitte April fertig sein.
Und dann hat sich die ganze Arbeit gelohnt?
Sicher nicht finanziell. Von 2445 Euro abzüglich 5 Prozent Provision an Krautreporter werde ich nicht reich. Vor allem muss ich davon ja noch alle Exemplare für die Unterstützer aus eigener Tasche bezahlen und verschicken. Ich mach das ja nicht, weil ich davon abhänge. Aber ich weiß schon jetzt, wo das Buch noch gar nicht gedruckt ist, dass ich es verkauft habe und Leser finde, die sich darüber freuen. Das ist doch toll.
Was ist Deine LousyPennies-Strategie? Willst Du bald von Büchern oder digitalen Medien leben können?
Die Reise geht auf alle Fälle dahin. Aber weder mit meinen Büchern noch mit meiner Webseite, Facebook oder Twitter verdiene ich aktuell mehr als ein paar Lousy Pennies, auch wenn ich natürlich verschiedene Monetarisierungswege wie etwa Flattr oder Adsense ausprobiere. Ich bin wie die meisten Journalisten auf längere Sicht noch auf die klassischen Medien angewiesen, für die ich ja auch sehr gerne arbeite. Ich glaube aber auch, dass man gar nicht früh genug in den digitalen Medien starten kann. Wie gut das funktionieren kann, zeigt zum Beispiel der Tech-Blogger Sascha Pallenberg, der wie ich aus Taiwan berichtet und seine Nische gefunden hat, mit der er richtig gutes Geld verdient. Mit Sascha als VJ habe ich bereits mehrere Fernsehbeiträge fürs ZDF gedreht. Für mich bleibt es noch lange eine Mischkalkulation, bei der die klassischen Medien überwiegen.
Lieber Klaus, herzlichen Dank für das Gespräch!
Taiwan: Snapshots od Democracy in Action
Über Klaus Bardenhagen
Klaus Bardenhagen (36) hat ein Hörfunk- und TV-Volontariat beim NDR absolviert. 2008 kam er für ein dreimonatiges Stipendium erstmals nach Taiwan, 2009 entschied er sich, als freier Journalist auf die Insel zu gehen. Aus Taipeh berichtet er hauptsächlich für Sender wie den Deutschlandfunk und die Deutsche Welle, schreibt aber auch für Zeitungen. Auf seiner Facebook-Seite folgen ihm fast 3000 Menschen, viele aus Taiwan, den USA und auch aus Deutschland. Auf Twitter hat er 1400 Follower. Auf www.taiwanreporter.de stehen seine Arbeitsproben und auf www.intaiwan.de bloggt er über seine Erlebnisse.
Mut haben. Sein eigenes Ding machen und damit Geld verdienen. Seitdem ich LousyPennies gestartet habe, treffe ich immer mehr Menschen, die diesen Schritt bereits erfolgreich getan haben. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt durch oder mithilfe eines journalistischen Internet-Angebots.
Einer von ihnen ist Franz Neumeier. Er war bis 2007 Chefredakteur von „Internet Professionell“ und „PC Professionell“, dann von 2007 bis 2009 bei WEKA Chefredakteur des „Internet Magazin“. Als er diesen Job Ende 2009 verlor, machte er sich mit der Kreuzfahrtseite cruisetricks.de selbständig – und erfand sich quasi neu.
Ich bin auf ihn in den Kommentaren zu einem Artikel auf LousyPennies gestoßen und habe mich sehr gefreut, dass er mich in München in Sichtweite der Burda-Zentrale zum Gespräch traf. Und hier ist das Ergebnis:
„Ich bin ein weitaus glücklicherer Mensch als früher“
Franz Neumeier an Bord der Star Flyer
Lieber Franz, es gibt da dieses Bild von Dir: Du im Bugnetz des Segelschiffs Star Flyer, den Laptop auf den Knien. Muss ich mir so Deine Arbeit vorstellen?
Ok, ich gebe zu, das Foto ist gestellt – so arbeite ich nicht wirklich. Aber tatsächlich ermöglicht es mir meine Arbeit, etwa drei Monate im Jahr auf Kreuzfahrtschiffen zu verbringen, den Laptop hab ich immer dabei.
Also knapp zwölf Wochen Urlaub im Jahr?
Nein, Urlaub ist das nicht – auch wenn es natürlich schön ist. Wenn ich auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs bin, wirst Du mich ständig mit der Kamera und dem Notizbuch sehen. Wenn ich das Schiff wieder verlasse, habe ich Zwei- bis Dreitausend Fotos geschossen, war fast überall an Bord und kenne jedes Detail bis hin zu sämtlichen Getränkepreisen in den Bars und Restaurants.
Der rasende Reporter…
Ja. Und dann gibt es immer wieder einige Kollegen, die mir von ihrer Liege am Pool mit dem Cocktail in der Hand zusehen und mitleidig sagen: „Ja, das hab ich früher auch noch getan.“ Leider lesen sich dann auch die Texte dieser Kollegen so, als wären sie gar nicht an Bord gewesen.
„Das ist keine Sache von Online oder Print. Das ist eine Sache von Arbeitsethos.“
Das heißt für Dich also, der Online-Journalist liefert heute bessere Arbeit als der Print-Kollege?
Nein, auf keinen Fall. Das ist keine Sache von Online oder Print. Das ist eine Sache von Arbeitsethos. Ich arbeite ja auch noch sehr viel für Print, schreibe viel für verschiedene Zeitungen und Magazine.
…wo wir bei den Lousy Pennies wären. Wie verdienst Du Deine Pennies?
Mit einem Mix aus verschiedenen journalistischen Tätigkeiten. Wie gesagt, schreibe ich ja wie jeder freie Journalist für verschiedene Verlage. Aber immer mehr Einkommen kommt durch cruisetricks.de herein.
Wie viel?
So genau möchte ich das nicht sagen. Aber es wäre genug, um mich als Einzelperson gut zu finanzieren. Da wir eine Familie sind und im teuren München leben, bin ich aber froh, dass meine Frau auch noch verdient.
Kannst Du sagen, wie der Anteil Deiner Webseite an Deinem Einkommen prozentual gesehen ist?
Das schwankt sehr, weil die Print-Aufträge sehr unregelmäßig kommen. Aber es sind immer mindestens 60 Prozent, oft auch mehr. Der Online-Anteil ist in den letzten drei Jahren beständig gewachsen. Und tatsächlich deutlich stabiler als die Print-Einnahmen.
„Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“
Das führt uns zum Start von cruisetricks.de. Wie wird man denn vom Print-Computer-Journalisten zum Kreuzfahrt-Profi?
Nun ja, bis 2009 war ich Chefredakteur vom „Internet Magazin“ und habe als Hobby nebenher die englischsprachige Seite steamboats.org betrieben. Als der Verlag dann meinte, dass ein solches Magazin auch gänzlich ohne Chefredakteur auskommt, habe ich mein Hobby Kreuzfahrten zum Beruf gemacht. Ich habe die Gründer-Förderung der Arbeitsagentur bekommen und konnte sofort mit cruisetricks.de starten.
Das ging so einfach?
Natürlich nicht, jede Seite braucht ihre Anlaufzeit. Aber ich hatte einen genialen Start, denn durch einen Zufall war ich der erste deutsche Journalist, der auf die damals neue „Oasis of the Seas“ durfte – das größte Kreuzfahrtschiff der Welt. Meine Frau, die ja auf der Seite mitschreibt und sehr stark in den sozialen Medien aktiv ist, hatte einen Wettbewerb gewonnen und ich durfte mit. Ich konnte fast eine Woche lang jedes Detail des Schiffes begutachten und später darüber berichten. Das nicht nur meiner Webseite einen unglaublichen Schub gebracht, sondern auch einige Zeitungsaufträge. Auch Bilder konnte ich verkaufen.
Wo steht Deine Seite aktuell zahlenmäßig?
Im Januar hatte ich mit 78.000 Besuchern (Visitors) einen neuen Rekord, das brachte insgesamt 273.000 Seitenabrufe (PIs). Davon kamen 58 Prozent über eine Suche, 25 direkt, acht über Links und neun Prozent über meinen RSS-Feed und den Newsletter. Im Moment sieht es so aus, als würde es bei diesen Zahlen bleiben.
Wie wichtig ist der Newsletter für Dich?
Sehr. Ich habe leider viel zu spät angefangen, ihn aufzubauen. Aktuell hat er ungefähr 700 Abonnenten, darunter viele Reisebüros und andere Touristiker. Ich möchte die Zahl der Abos dringend ausbauen, um den Newsletter dann irgendwann mal vermarkten zu können. (Tipps zum Aufbau eines Newsletter-Verteilers findet Ihr hier, Anm. d. Red.)
Stichwort Vermarktung: Woher kommen Deine Einnahmen?
Franz Neumeier
Die Webseite und die Vermarktung von Anzeigenplatz ist für mich das Wichtigste. Gleichzeitig ist die Webseite aber auch das ideale Instrument, um mich selbst als journalistischen Spezialisten für den Bereich Kreuzfahrt zu positionieren – und zwar durch hochwertige und gut recherchierte Inhalte, die sonst keiner hat. Das führt dann dazu, dass ich auf weiteren Kanälen ein Einkommen generieren kann: Als Schreiber für Print-Produkte, durch das Verkaufen von Fotos, durch mein Buch „Der cruisetricks.de Kreuzfahrt-Ratgeber“ und als Sprecher oder Moderator bei touristischen Veranstaltungen.
Wie stehst Du zu gesponserten Beiträgen? Also Texten, die von einem Anzeigen-Kunden bezahlt werden.
Das habe ich ein paar Mal ausprobiert, aber ich sehe das sehr zurückhaltend. Wer das macht, der sollte es auf jeden Fall ganz klar kennzeichnen und kommunizieren. Denn das wäre fatal fürs Renommee, wenn man bei einer solchen Schleichwerbung ertappt wird. Ich schreibe auch immer, ob ich für eine Story von einer Reederei eingeladen wurde – und scheue mich auch nicht davor, dennoch etwas Negatives zu schreiben.
Stichwort Renommee: Nehmen Dich die Reedereien inzwischen als gleichwertig zu den traditionellen Print-Journalisten wahr?
Die meisten. Aber es gibt schon noch einige, die mit dem Medium Internet noch nicht viel anfangen können.
„Ich habe an Lebensqualität gewonnen.“
Was bedeutet das Medium Internet für Dich?
Zum einen persönliche Freiheit. Ich bin nach Jahren als Angestellter endlich mein eigener Herr und habe enorm an Lebensqualität gewonnen. Ich bin ein weitaus glücklicherer Mensch als früher. Nicht nur, weil ich so viel Zeit an Bord von Kreuzfahrtschiffen verbringen kann, sondern weil ich mir meine Zeit viel besser einteilen kann. Ich bin auch plötzlich zum Hausmann geworden und koche zum Beispiel begeistert.
Und aus journalistischer Sicht?
Ich muss schneller sein als früher. Wenn ich eine Nachricht erhalte, etwa zu einem Unfall auf einem Kreuzfahrtschiff, dann muss ich die sofort rausjagen, sonst werde ich nicht wahr genommen. Mit weiteren Infos kann ich die News ja später noch ergänzen. Man muss da auch strategisch denken: Wenn etwas Großes passiert ist, muss ich damit Online sein, bevor es um 18:45 bei RTL läuft. Denn wenn die Menschen es dort sehen, fangen sie an zu googeln.
Ist das nicht gefährlich, einfach schnell jede News rauszublasen?
Da kommt nun wieder das journalistische Handwerkszeug ins Spiel. Es ist tatsächlich schwerer geworden, die Quellen im Internet zu bewerten. Aber vor allem für einen Journalisten, der sich nicht jeden Tag mit nur einem bestimmten Thema beschäftigt. Ich kenne oft die Quellen und weiß, wo ich nachsehen muss, um sie gegen zu checken. Da bin ich schneller und effektiver als jeder Generalist.
Wie wichtig ist Google-News?
Das ist eine Traffic-Quelle und ich musste es mir hart erarbeiten, dort aufgenommen zu werden. Aber die meisten Leser kommen über eine direkte Google-Suche.
„Es macht mir mehr Spaß, Online zu schreiben.“
Viel wird ja über suchmaschinenoptimiertes Schreiben gesprochen. Wie nimmst Du das wahr?
Franz Neumeier
Ich glaube, dass Qualität siegt. Aber es gibt schon einen Unterschied zwischen Online- und Print-Texten im Reisebereich. Die klassische Reisereportage hat oft einen romantischen Einstieg und plätschert dann so dahin, ein Online-Text ist wesentlich Fakten-orientierter. Das liegt mir aber, da ich schon immer eher der Fakten-Mensch war. Und tatsächlich macht es mir oft mehr Spaß, Online zu schreiben.
Wie sehen Deine Zukunftspläne für cruisetricks.de aus?
Zum einen hoffe ich, dass sich der Traffic in den nächsten Jahren verdoppelt – das wird sich dann auch gleich auf der Einnahmen-Seite bemerkbar machen. Zum anderen möchte ich meine Seite noch stärker auf mobile Geräte optimieren und anfangen, meinen Newsletter zu vermarkten. Ich werde auch sicher noch einige Bücher als E-Books veröffentlichen.
Und thematisch?
Ich möchte noch stärker in den Datenjournalismus gehen und etwa eine Datenbank für die Getränkepreise auf allen Kreuzfahrtschiffen aufbauen. Das ist tatsächlich ein großes Thema in der Szene und ein wichtiges Argument bei der Entscheidung für eine Reise.
Hast Du auch an einen höheren Bewegtbild-Anteil gedacht? Immerhin sprechen im Moment alle davon, dass Video immer wichtiger werden soll.
Cruisetricks.de: Panoramabild
Ich habe es probiert. Aber ganz ehrlich ist es nicht meine Kernkompetenz – und ich finde, man muss als Einzelkämpfer nicht alles machen. Was ich auf meiner Seite habe, sind sehr aufwändig produzierte 360-Grad-Panorama-Bilder von den Kreuzfahrtschiffen. Das bringt zwar nicht so viel in der Suche, aber wieder beim Renommee. Da die nicht so einfach nachzumachen sind, sind sie etwas, was meine Seite einzigartig macht – mein USP.
Jetzt muss die Frage kommen: Was hältst Du denn vom Leistungsschutzrecht?
Wenig, denn ich habe bis jetzt nicht verstanden, warum hier eine bestimmte Gruppe etwas schützen will, was sie eigentlich gar nicht selbst produziert hat. Denn die Verleger kaufen ihren festen und freien Mitarbeitern mit Knebelverträgen alle Rechte an den von ihnen produzierten Beiträgen ab. Also wird gar nicht die Leistung, sondern nur der Content geschützt. Und auch das verstehe ich nicht: Ich lebe von Google – und die Verlage tun es auch.
Zum Abschluss: Was würdest Du nun allen Journalisten raten, die sich überlegen, ihr Glück im Internet zu versuchen?
Finde Deinen eigenen Weg, der einzigartig ist und kaum zu kopieren. Tue etwas, was Dir Spaß macht – und beginne damit sofort. Online findet sich der Weg durch ständiges Ausprobieren, aus jedem Fehler lernt man und wird besser. Das Internet bietet uns Journalisten eine einzigartige Chance, uns selbst zu positionieren und Einkommen zu generieren. Wichtig ist: Man muss durch Qualität auffallen.
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