No more Mr. Bad Guy, Herr Koch! Warum die deutsche Medienszene Entwicklungshilfe braucht

Werbung in Entwicklungsländern: Billboard in Accra, der Hauptstadt von Ghana

Ich bin der Bad Guy hier oben“ – so stellte sich Thomas Koch diese Woche in Berlin vor. Auf dem Podium beim Jour Fixe des Forum Medien und Entwicklung in Berlin saßen neben Koch der FAZ-Herausgeber Werner D’Inka, der Journalist Klaus Jürgen Schmidt und ich.

Und ich musste Herrn Koch widersprechen.

In den guten alten Tagen hätten wir Journalisten den erfahrenen Media-Manager („Medienpersönlichkeit 2008“) vielleicht als bösen Buben gesehen – heute ist er ein weißer Ritter.

Denn Thomas Koch bringt das Geld.

Nicht direkt. Aber mit dem von ihm und MICT-International-Gründer Klaas Glenewinkel ins Leben gerufenen Plural Media Services erklärt er jungen Medien in der noch nicht entwickelten Welt, wie das Anzeigen- und Vermarktungsbusiness funktioniert.

Ich würde nicht sagen, dass er mit seiner Arbeit sofort Waffengleichheit zwischen den wirtschaftlich unerfahrenen Journalisten der arabischen Welt und den Media-Managern von Multimilliarden-Konzernen schafft. Aber er erklärt die Spielregeln und verrät so manchen Monetarisierungs-Trick (z.B. kostenpflichtige Anrufe bei Call-In-Sendungen im Radio statt kostenloser Rückrufe durch die Redaktion).

Er hilft den Medienmachern, ihr Potenzial in der Werbewirtschaft zu erkennen. Er sorgt manchmal dafür, dass der eine oder andere Journalist zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie ein Gehalt erhält.

Nach der Diskussion beherrschte mich nur ein Gedanke:

Warum zum Teufel macht Koch das in der dritten Welt – und nicht in Deutschland?

Denn tatsächlich entwickelt sich hier vor unseren Augen gerade ein journalistisches Prekariat, dessen Angehörige zwar voller Ideale und Engagement sind – ihre  Taschen aber sind leer.

Auch Deutschland ist zum Entwicklungsland geworden!

Zumindest in Sachen Medienfinanzierung…

Graphical Recording der Podiumsdiskussion
Graphical Recording der Podiumsdiskussion

Wenn ich davon schreibe, denke ich da an so ambitionierte Projekte, wie zum Beispiel das Weiterstadtnetz von Julian Heck oder HH-Mittendrin von Isabella David, die wir hier auf LousyPennies schon vorgestellt haben. Sie alle sind meiner Meinung nach – mehr oder weniger – auf dem gleichen Stand, wie die Medien in der dritten Welt:

Junge engagierte Journalisten hängen sich rein, verdienen aber im Höchstfall nur ein paar Lousy Pennies, die vielleicht die Serverkosten decken, aber nicht viel mehr.

Thomas Koch
Thomas Koch

Ihnen fehlt in vielen Fällen wie vielen, vielen anderen das Know-How und natürlich auch die Manpower, um die notwendigen Anzeigen für ihre Projekte zu akquirieren.

Denn dass Werbung oder ein anderes Finanzierungsmodell notwendig ist, um Medien zu finanzieren, bestritt auch in Berlin fast niemand auf dem Podium. Die FAZ etwa, so verriet uns Werner D’Inka, holt etwa 50 Prozent ihrer Einnahmen durch den reinen Verkauf herein – der Rest muss auf anderen Wegen in die Kasse finden.

Was heißt das also für die neue deutsche Medienlandschaft mit ihren vielen idealistischen Start-Up-Projekten?

  1. Journalisten muss klar werden, dass sie mit ihrer Arbeit nicht im „luftleeren Raum“ agieren. Sie müssen Geld verdienen. Und zwar am besten mit ihrem originären, journalistischen Produkt.
  2. Es müssen professionelle Strukturen geschaffen werden, die auf Augenhöhe und in der Sprache der Anzeigenkunden mit der Werbewirtschaft sprechen. Ganz bewusst kann man hier von Waffengleichheit sprechen. Denn da kann es ganz schön ruppig zugehen.
  3. Die journalistische Unabhängigkeit (und damit auch die Glaubwürdigkeit gegenüber dem Leser) muss gewahrt werden.

Ein weiteres Stichwort, das in diesem Zusammenhang fiel, war die Diversifikation der Geldgeber. Je mehr man von einem Geldgeber abhängig ist, umso schwieriger wird die Sache mit der journalistischen Unabhängigkeit. Das ist in der dritten Welt genauso, wie bei uns.

Ich jedenfalls freue mich schon auf das nächste Treffen mit Thomas Koch, der mir dann hoffentlich erklären wird, wie ich auf Augenhöhe mit Geldgebern/Anzeigenkunden für LousyPennies verhandeln kann.

Podiums-Diskussion "Was kann Kultur?" beim FOME Jour Fixe 2013 Mit: Aino Laberenz, Constanza Macras, Christian Römer, Jay Rutledge, Gebrüder Teichmann, Tom Tykwer Moderation: Matthias Spielkamp
Da ich mich nicht selbst fotografieren konnte, seht Ihr hier die Podiumsdiskussion „Was kann Kultur?“
Mit: Aino Laberenz, Constanza Macras, Christian Römer, Jay Rutledge, Gebrüder Teichmann, Tom Tykwer
Moderation: Matthias Spielkamp