By …trialsanderrors (Kellar the magician, performing arts poster, 1894) [CC-BY-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons
Die Huffington Post will etwas kostenlos und bietet nur Ruhm und Verlinkung. „Dann zahle ich meinen Vermieter, Tankwart und Lebensmittelhändler auch nicht mehr“ halten Journalisten zynisch dagegen. Doch so ein Vergleich könnte falscher nicht sein.
Um es klar vorweg zu sagen: Weder bin ich ein Freund der Huffington Post, noch lebe ich von Nichts – auch ich verdiene mein Geld mit Schreiben. Aber es nutzt nichts, wenn wir uns selbst in die Tasche lügen. Uns Journalisten muss klar sein, welches Angebot wir unterbreiten, mit all seinen Schwächen und Stärken.
Die schmerzliche Wahrheit: Niemand „braucht“ Journalismus
Es ist doch so: Mein Vermieter gewährt mir jeden Tag ein Dach über dem Kopf, dazu hat er vorher einen massiven Invest in das Material und den Bauvorgang gesteckt. Wenn etwas kaputt ist, muss er die Reparatur zahlen. Mein Lebensmittelhändler verteilt Nahrung am Ende einer langen Produktionskette – ohne Essen kann ich nicht leben. Und da ich ein Auto habe, weil ich häufiger wegfahre, kann ich auf Benzin nicht verzichten. All das hat mit wirklichen Rohstoffen zu tun, mit handfesten Materialien.
Doch welchen lebensnotwendigen Mangel erlitten die Deutschen, als die Financial Times oder eine der vielen anderen Zeitungen oder Zeitschriften eingestellt wurde?
Keinen.
So ist Journalismus eine wunderbare und sicher auch wichtige Dreingabe, vielleicht ist es sogar ein Wächter im Staate, aber eben kein lebensnotwendiges Produkt. Tatsächlich ist überhaupt kein Produkt. Ich kann einen Rundfunkbeitrag oder einen Onlinetext nicht in die Hand nehmen.
Wir Journalisten sind Zauberer
Also ein Produkt fertigen wir nicht, sind wir dann Dienstleister? Vielleicht ein bisschen. Dann zum Beispiel, wenn wir – wie sehr viel Kollegen – bei einer Fachzeitschrift arbeiten und Testberichte verfassen oder Anleitungen geben. So zieht der Leser einen Nutzen daraus und spart sich Zeit und Geld.
Doch eine Nachricht oder ein Kommentar, welchen Nutzen hat der? Eine flüchtige Information, vielleicht noch eine kleine Inspiration.
[pullquote align=“right“]Unser Trick ist größer: Wir schaffen Werte aus dem Nichts Sowohl das Etikett „Produkt“ als auch „Dienstleistung“ würde unser Licht unter den Scheffel stellen! Unser Trick ist doch viel größer als das: Wir schaffen Werte aus dem Nichts. Das ist Zauberei.
Bei uns startet alles mit einer Idee, die wir dann in Worte fassen, erzählen und anschließend weitergeben. Manchmal entsteht dabei nur ein kleiner Trick, ein anderes Mal stecken wir vorher so lange Zeit in die Entwicklung, bis uns ein großes Kunststück gelingt – eine Enthüllungsgeschichte oder eine große Reportage.
Und das ist jetzt nicht nur so ein Hirngespenst von mir. In der Debatte um das Leistungsschutzrecht wurde immer wieder von der Wertschöpfung und der Wertschöpfungskette gesprochen. In diesen großartigen Worten steckt ja schon alles drin: Wir Journalisten sind Schöpfer von Werten.
Aber was sind das für Werte? Wie hoch in Zahlen? Muss der Leser nur dadurch, dass wir einen Wert geschaffen haben, uns die Kosten decken? Will er das alles überhaupt so?
In einer Welt voller Zauberer ist der Trick nichts wert
Verlage wie Eigenpublizisten, wir alle veröffentlichen Texte, und so ist die Welt voller Meinungen und Ideen. Eine mehr oder weniger? Egal! Es ist so viel davon draußen, dass sein Wert sich nicht durch einen Mangel definieren kann – was man sehr wohl bei Wohnungen, Benzin oder Essen tut.
[pullquote align=“right“]Der Leser braucht Journalismus nicht, aber er bekommt ihn im Überfluss Der Leser braucht Journalismus nicht, aber er bekommt ihn im Überfluss. Und nur weil es uns viel gekostet hat und wir es für wertvoll erachten, muss es der Leser noch lange nicht als Wert anerkennen. Darum wird auch jede Paywall scheitern, solange sie vor einer austauschbaren Nachrichtenseite sitzt.
Man könnte sagen: In einer Welt voller Zauberer, ist der Trick nichts mehr wert.
Magie statt Mangel
Nun kann man natürlich das Rad der Zeit zurückdrehen wollen. Ja, die „gute alte Zeit“. Als Journalisten eine Elite waren, die den Diskurs bestimmten und es eben eine leidlich überschaubare Zahl an Alternativen gab. Werterhöhung durch Mangelwirtschaft.
Ist das wirklich realistisch? Und wollen wir das überhaupt? Ich nicht.
Was also bleibt?
Wir sind Zauberer, lasst uns keine lahme Vorstellung abliefern, lasst uns das Publikum in Staunen versetzen. Es geht dabei um die gesamte Show, nicht nur um einen Trick. Wir inspirieren und wir haben es dann geschafft, wenn die Leute über das reden, was wir gemacht haben. Nicht einmal, sondern immer wieder und wieder.
Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Wir liefern sicher kein Produkt ab, das jeder unbedingt braucht. Man braucht uns nicht, aber ein Publikum zahlt gerne den Eintritt zur Show, wenn es weiß, dass der Zauberer grandios ist und seine Magie einen mit Sicherheit in Staunen versetzt.
3 Gedanken zu „Zur Huffington-Post-Debatte: Journalismus ist kein Produkt – sondern Zauberei“
Gute Gedanken, das Bild vom Zauberer finde ich auch treffend. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Journalisten zaubern Bildung herbei – und die Frage ist nun mal: Was ist den Menschen die Bildung wert?
Wer zur Schule geht oder studiert, bekommt die Bildung in Deutschland meist umsonst. Warum sollte man also später für das Versprechen auf etwas mehr Medienbildung selbst zahlen? Zumal man ja meist vorher gar nicht weiß, ob sich das Lesen eines Artikels wirklich lohnt. Sprich: Nicht jeder journalistische Beitrag verheißt schon in den ersten paar Zeilen, eine tolle Bildungsshow zu werden. Warum also dann dafür bezahlen?
Derzeit bin ich etwas spektisch, ob die Bezahlmodelle wirklich noch irgendwann funktionieren werden.
Die Sehnsucht des Deutschen nach dem Disclaimer veranlasst bei diesem Thema nicht nur den Verfasser des Beitrags, sondern auch den Kommentator zu einem Vorab-Hinweis: Ich schaffe seit 40 Jahren im Steinbruch der Worte und lebe im weitesten Sinne seitdem »vom Schreiben« …
… und gerade deshalb weiß ich, dass sich die Uhren weiter drehen und Sachverhalte eine gänzlich neue Betrachtungweisen bekommen können. Wie ein Musiker sein Geld heute nicht mehr mit dem Plattenverkauf (sondern mit Auftritten und Merch) verdient, so profitieren auch viele Journalisten anders als früher auf Umwegen von ihren Ergüssen.
Insofern habe ich überhaupt kein Problem damit, in die eigene Promotion (sprich: Selbstinszenierung) zu investieren und in geeigneten Fällen meine Leistung gegen eine andere (hier: Verbreitung) zu tauschen. Sonst wäre ich beispielsweise nicht auf Facebook als Ratgeber-Onkel unterwegs , denn da zahlen die Leser oft nicht mal mit einem »Like«. Das alles ist Promoarbeit, die sich (im besten Falle) in anderen Feldern monetarisiert.
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Gute Gedanken, das Bild vom Zauberer finde ich auch treffend. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Journalisten zaubern Bildung herbei – und die Frage ist nun mal: Was ist den Menschen die Bildung wert?
Wer zur Schule geht oder studiert, bekommt die Bildung in Deutschland meist umsonst. Warum sollte man also später für das Versprechen auf etwas mehr Medienbildung selbst zahlen? Zumal man ja meist vorher gar nicht weiß, ob sich das Lesen eines Artikels wirklich lohnt. Sprich: Nicht jeder journalistische Beitrag verheißt schon in den ersten paar Zeilen, eine tolle Bildungsshow zu werden. Warum also dann dafür bezahlen?
Derzeit bin ich etwas spektisch, ob die Bezahlmodelle wirklich noch irgendwann funktionieren werden.
Die Sehnsucht des Deutschen nach dem Disclaimer veranlasst bei diesem Thema nicht nur den Verfasser des Beitrags, sondern auch den Kommentator zu einem Vorab-Hinweis: Ich schaffe seit 40 Jahren im Steinbruch der Worte und lebe im weitesten Sinne seitdem »vom Schreiben« …
… und gerade deshalb weiß ich, dass sich die Uhren weiter drehen und Sachverhalte eine gänzlich neue Betrachtungweisen bekommen können. Wie ein Musiker sein Geld heute nicht mehr mit dem Plattenverkauf (sondern mit Auftritten und Merch) verdient, so profitieren auch viele Journalisten anders als früher auf Umwegen von ihren Ergüssen.
Insofern habe ich überhaupt kein Problem damit, in die eigene Promotion (sprich: Selbstinszenierung) zu investieren und in geeigneten Fällen meine Leistung gegen eine andere (hier: Verbreitung) zu tauschen. Sonst wäre ich beispielsweise nicht auf Facebook als Ratgeber-Onkel unterwegs , denn da zahlen die Leser oft nicht mal mit einem »Like«. Das alles ist Promoarbeit, die sich (im besten Falle) in anderen Feldern monetarisiert.